Neue genetische Werkzeuge für schnellere Wirkstoffentwicklung
Jahrhunderten Medizinforschung ist es zu verdanken, dass Medikamente immer besser vor Krankheiten schützen, und im Zuge technologischer Fortschritte ist auch die Forschung an Wirkstoffen und deren Entwicklung einfacher geworden. Dennoch ist die Wirkstoffforschung von der Entdeckung bis zum Test der neuen Medikamente noch immer teuer, ineffizient und zeitaufwändig. Die Entwicklung eines Arzneimittels kann 10 bis 14 Jahre dauern und verschlingt durchschnittlich mehrere Milliarden Euro. Zudem sind Tierversuche ethisch bedenklich und tragen weiter zu den Entwicklungskosten bei. „Ineffizienz bei der Wirkstoffforschung und -validierung belastet letztlich nicht nur die Pharma- und Biotechnologieunternehmen selbst, sondern erhöht auch die Medikamentenpreise für Patientinnen und Patienten“, erklärt Jaya Krishnan, Mitbegründer und Technischer Direktor des Biotechnologieunternehmens Genome Biologics, Deutschland. Das EU-finanzierte Projekt GENBIO sollte den wichtigsten Engpass in der Arzneimittelforschung ausräumen, d. h. die Zeitspanne zwischen Erstentdeckung des Wirkstoffs bis zur endgültigen Validierung für vorklinische Studien. Das neue System rationalisiert den Prozess, macht ihn effizienter und ethisch vertretbarer. „Wir entwickelten einen völlig neuen, patentierten Arbeitsablauf zur Entdeckung und Validierung von Wirkstoffen“, erklärt Krishnan, der auch GENBIO koordiniert. „Vor allem aber haben wir mehr als zehn neue Wirkstoffe gegen Herzerkrankungen entdeckt, die wir teilweise nun in klinischen Studien weiterentwickeln wollen“, fügt er hinzu.
Kombination zweier innovativer genetischer Werkzeuge
GENISYST ist ein genetisches Werkzeug zur Erstellung komplexer menschlicher Krankheitsmodelle, an dem neue Medikamente getestet werden können. GENISYST funktioniert mit im Labor erzeugten menschlichen Herzorganoiden sowie Klein- und Großtiermodellen, wobei Kosten- und Zeitaufwand auf einen Bruchteil reduziert werden. Hierfür werden Viren mit DNA-Bauanleitungen bestückt, die die RNA-Expression tierischer Zellen verändern und Krankheiten imitieren, ohne dass das ursprüngliche Genom verändert werden muss. In nur einem Tier können mehrere Gene exprimiert oder supprimiert werden, statt bei vielen Tiere einzelne Gene zu verändern. „Mit einem einzigen Tier können mehrere komplexe Krankheitsmodelle gleichzeitig und damit in einem Bruchteil der Zeit generiert werden“, merkt Krishnan an. So kann die Zahl der Tiere um mehr als das Hundertfache, die Kosten für vorklinische Studien um das Zehnfache und der Zeitaufwand pro Studie um das Sechs- bis Achtfache reduziert werden. Hierfür entwickelte das Projekt GENBIO die Software GENIMAPS, die mittels KI (künstlicher Intelligenz) große Datenmengen verarbeitet und so schnell das passende Herzmedikament findet. Die KI-Algorithmen beschleunigen die Suche nach neuen Wirkstoffen, die dann an den Modellen von GENISYST getestet und geprüft werden. Neue therapeutische Ziele im Zusammenhang mit Herzerkrankungen sind bereits identifiziert und in führenden Fachblättern wie „Nature Reviews Cardiology“, „Cell“, „Science Translational Medicine“ und „Circulation“ veröffentlicht worden.
Signal für Pharmaunternehmen
Für die in GENBIO entwickelten Technologien haben Pharmaunternehmen bereits Interesse signalisiert. So arbeitet ein neuer Forschungsverbund mit AstraZeneca an Wirkstoffen, die die Regeneration des Herzmuskelgewebes nach Herzinfarkt, Herzversagen und Herzschäden befördern. Die Arbeitsgruppe von GENBIO legte neun Patentanmeldungen vor und wurde für seine biotechnologische Innovation mehrfach ausgezeichnet. Nun sollen mit Unterstützung größerer Pharmaunternehmen weitere Stellen und Möglichkeiten innerhalb der EU geschaffen werden. „Wir glauben, dass unsere Technologien und Medikamenten-Pipeline die Behandlung von Herzkrankheiten revolutionieren und so die enormen Kosten durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der EU senken könnte“, sagt Jonathan Ward, Mitbegründer und Geschäftsführer von Genome Biologics.
Schlüsselbegriffe
GENBIO, Medikament, Wirkstoffforschung, Herz, Krankheit, genetisch, Werkzeuge, Innovation