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The Sun-chariot’s Journey Towards the Nordic Sky: on the (Pre-)History of Ideas on Sky, Sun, and Sunlight in Northern Europe

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„Archäopoetik“ hilft bei der Rekonstruktion der prähistorischen eurasischen Kultur

SunSHINE zeigt, wie indogermanische Wendungen von der prähistorischen Steppe zwischen der Ukraine und Russland symbolisch in verschiedenen eurasischen Kulturen reflektiert werden, einschließlich ihrer gemeinsamen Herkunft.

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Viele antike und moderne eurasische Sprachen gehören der indogermanischen Sprachfamilie an, die germanische Sprachen wie Altnordisch und das heutige Englisch sowie weitere Sprachen wie die hethitische Sprache, Altgriechisch, Latein und Sanskrit umfasst. Durch einen Vergleich der Eigenschaften dieser Sprachen konnte die komparative Linguistik Elemente des Indogermanischen – dem Ursprung dieser Familie – rekonstruieren. „Formelhafte Wendungen – poetische Kombinationen ähnlich Redewendungen – liefern Hinweise über vererbte Konzepte und somit über Gemeinschaften und ihre Kultur“, erklärt Riccardo Ginevra, ein Marie-Skłodowska-Curie-Forscher vom SunSHINE-Projekt an der Universität Kopenhagen, welche das Projekt betreut. Trotz eines plötzlichen Angebots einer Universitätsanstellung in Italien konnte Ginevra einen Vergleich mehrerer altgermanischer poetischer Wendungen – über den Himmel, die Sonne und das Sonnenlicht – mit denen anderer indogermanischer Traditionen beenden. „Durch die Kombination der vergleichenden Poetik mit Archäolinguistik, einer Mischung aus Linguistik und Archäologie, habe ich einen Ansatz entwickelt, den ich ‚Archäopoetik‘ nenne und mit dem ich eine umfassendere Rekonstruktion der indogermanischen Symbolkultur verfolge“, ergänzt Ginevra. Ginevra hat eine interdisziplinäre Konferenz zur Rekonstruktion der indogermanischen Gesellschaft aus linguistischer und archäologischer Perspektive mitorganisiert. Die Veröffentlichung der Tagungsergebnisse steht noch aus.

Vererbte Symbole und Wendungen

Wir wissen aus der Linguistik, Archäologie und Genomik, dass das Indogermanische, der Ursprung der heutigen indogermanischen Sprachen, vor über 5 000 Jahren von nomadischen Hirtenvölkern in der Pontokaspis (zwischen der heutigen Ukraine und Russland) gesprochen wurde. Einige dieser Völker wanderten in den Süden und Osten, doch manche wanderten auch in den Westen. Der dortige Kontakt mit landwirtschaftlichen Völkern der Jungsteinzeit trug zum Aufkommen der zentral- und nordeuropäischen Kulturen der Bronzezeit bei. Mehrere archäologische Objekte bezeugen den Aufbau gemeinsamer religiöser und kosmologischer Ansichten der Sonne und des Himmels, zum Beispiel der Sonnenwagen von Trundholm, ein kleines Modell eines Pferdes, das einen mit Gold dekorierten Wagen zieht, der die Sonne darstellt. „Ich untersuchte den Tageshimmel, die Sonne, das Sonnenlicht und damit verbundene Gottheiten, welche die beständigsten Symbole indogermanischer religiöser Traditionen darstellen. Sie teilen ähnliche formelhafte Wendungen in mehreren Sprachen. Dank dieses Hintergrunds und nachdem etwa 2 100 v. Chr. Wagen erfunden wurden, tauchten in mehrere indogermanischen Traditionen unabhängig Sonnenwagen auf“, berichtet Ginevra. Forschende haben angemerkt, dass in den formelhaften Wendungen verschiedener antiker indogermanischer Sprachen das Sonnenlicht eng mit dem Leben in Verbindung gebracht wurde: zum Beispiel war „das Sonnenlicht sehen“ eine poetische Wendung für „Leben“ im Griechischen, Vedischen und in der hethitischen Sprache. Die Forschung von Ginevra stützt die Rekonstruktion solcher formelhafter Wendungen. Zum Beispiel ein prähistorisches Mythos in Texten auf Altnordisch, Sanskrit, Altirisch und Altgriechisch über ein Vergehen (vermutlich sexuell) eines Gottes des Sonnenlichts (Vater Himmel oder die Sonne) an seiner Tochter (Morgengrauen), der dann als Strafe von einem Feuergott getötet wird. So droht die Katastrophe – in Anbetracht der Verbindung zwischen Sonnenlicht und Leben – die nur durch einen Helden abgewendet werden kann. Mehrere Veröffentlichungen von Ginevra sind ausstehend, darunter eine Vergleichsstudie der Homerischen Hymne an Hermes, dem altgriechischen Mythos des Prometheus in Hesiods Theogonie und dem altnordischen Mythos von Thialfi, der in der Gylfaginning von Snorri Sturluson die Ziegen von Thor lahmte. „Diese Geschichten über Opfergaben von Vieh und ein rituelles Mahl, bei dem die Menschen die essbaren Teile und die Götter die Knochen erhalten, spiegeln ein gemeinsames indogermanisches Erbe wieder. Diese passen auch zu Entdeckungen von Schädeln und Hufen – Überbleibseln von rituellen Praktiken, die in der prähistorischen Steppe von der Archäologie aufgedeckt wurden“, fügt Ginevra hinzu.

Stärke in Vielfalt

„Diese Ähnlichkeiten und Unterschiede sind kein Zufall, sondern das Ergebnis bestimmter historischer Ereignisse sowie inhärenter menschlicher Neigungen, zum Beispiel dem Bedürfnis, schwierige Konzepte wie Leben und Tod auszudrücken“, schließt Ginevra. Zusammen mit Birgit Olsen und Thomas Olander von der Universität Kopenhagen erforscht Ginevra im Rahmen des LAMP-Projekts weiterhin die eurasische Vorgeschichte.

Schlüsselbegriffe

SunSHINE, Linguistik, Archäologie, Trundholm, Indogermanisch, Nordisch, Germanisch, Sprachen, poetisch, formelhafte Wendungen

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