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Können sich Fische erkälten?

Wenn Erkältungen über Husten und Niesen verbreitet werden, sind Tiere, die ihr Leben unter Wasser verbringen, dann immun gegen Schnupfen? Wir gehen diesem Sachverhalt mit dem veterinären Virologen Hans Nauwynck auf den Grund.

Lebensmittel und natürliche Ressourcen icon Lebensmittel und natürliche Ressourcen

Die einfache Antwort auf die Frage, ob sich Fische erkälten können, lautet: Nein. Das liegt daran, dass Fische keine Lungen oder Atemwege haben – und auch keine Nase, durch die sie atmen könnten. Daher werden Sie nie einen Fisch mit Husten oder laufender Nase sehen. Das heißt natürlich nicht, dass Fische nicht erkranken können. „Fische – ebenso wie Muscheln und Austern und Krebstiere wie Garnelen – tauschen über ihre Kiemen Sauerstoff und Kohlendioxid aus“, erklärt Nauwynck von der Universität Gent in Belgien. Im Wasser vorkommende Viren haben sich so entwickelt, dass sie die Kiemen angreifen, so wie Viren, die durch die Luft übertragen werden, die Lungen angreifen. „Die Kiemen sind mit einer schleimigen Substanz überzogen, die als eine Art Schutzbarriere fungiert. Wenn dieser Schleim durchdrungen wird, können Viren eindringen und das Tier befallen. Allerdings würde man diese Infektion nicht als Husten oder Niesen bezeichnen.“ Nauwynck unterstreicht, dass Krebstiere – einschließlich Garnelen – über eine zusätzliche Abwehr verfügen. Diese Lebewesen sind unglaublich resistent gegen Viren, unter anderem weil sie von einer harten Schale, der Kutikula, bedeckt sind. „Die ist fast wie Kunststoff und bildet eine extrem effiziente Barriere“, bemerkt er. „Selbst über die Kiemen ist es sehr schwierig, ein Krebstier zu infizieren, da diese ebenfalls von der Kutikula abgedeckt sind.“

Geheimnisse der Garnele

Damit werden Garnelen jedoch nicht völlig immun. Weltweit werden die jährlichen Verluste durch Krankheiten in der Garnelen-Aquakultur auf rund 1 Milliarde EUR geschätzt, und 60 % davon werden durch virale Krankheitserreger verursacht. Als veterinärer Virologe hat Nauwynck mehrere Jahre lang untersucht, wie genau sich Garnelen anstecken. Sein Team konnte ein neues Organsystem, den Nephrokomplex, als Schwachstelle in der Abwehr der Tiere bestimmen. „Der Nephrokomplex besteht aus einer Blase und einer Art Niere mit Bläschen, die die Tiere mit Flüssigkeit füllen können“, erläutert er. „Er befindet sich im Kopf, was für uns ziemlich verrückt klingt. In der Nähe des Mauls befindet sich eine Öffnung, durch die das Tier urinieren kann.“ Nauwynck erkannte, dass es sich hierbei um die Öffnung handelt, durch die Viren eindringen können, da dies die einzige Stelle auf der Oberfläche des Tieres ist, die nicht von der Kutikula bedeckt ist. Für Krebstiere wie Garnelen birgt also nicht die Atmung die größte Gefahr einer Virusinfektion, sondern das Urinieren. Nauwynck entdeckte außerdem, dass der Nephrokomplex verdeutlicht, wie Garnelen wachsen. „Die Garnele befindet sich in diesem Exoskelett“, fügt er hinzu. „Sie müssen diese äußere Hülle abstreifen, um zu wachsen. Doch wie gelingt ihnen das?“ Das Tier kann sich aus der Schale befreien, indem die Bläschen des Nephrokomplex mit Wasser gefüllt werden. Da die neue Kutikula darunter noch weich und gummiartig ist, kann die Garnele die Bläschen weiterhin mit Flüssigkeit vollpumpen, damit das Tier wachsen kann. Nauwynck hebt hervor: „Über die Virologie lassen sich nicht nur virale Probleme lösen!“

Garneleninfektionen verringern

Nauwynck hat die Erforschung von Garneleninfektionen fortgesetzt, zuletzt im Rahmen des EU-finanzierten Projekts ShrimpLLH, das mit Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen durchgeführt wurde. Die durchgeführten Arbeiten könnten erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen auf die Fischereiwirtschaft haben. „Während die Garnelenzucht boomt, stellen Virusinfektionen die größte Herausforderung dar“, sagt er. „Die Erkenntnis, dass das Urinieren der größte Risikofaktor ist, bietet uns die Möglichkeit, dieses Problem anzugehen.“ Eine Möglichkeit wäre, weniger aggressive Rassen zu entwickeln, da Garnelen ständig urinieren, zum Teil als Verteidigungsmechanismus gegen Rivalen. Plötzlich erscheint eine im Bus hustende fremde Person gar nicht mehr so schlimm. Hier erfahren Sie mehr über die Forschung von Hans Nauwynck: Garnelen helfen, sich vor Krankheiten zu schützen.

Schlüsselbegriffe

ShrimpLLH, veterinär, Virologie, Fisch, Krebstiere, Kiemen, Viren, Garnelen, Nephrokomplex