51. Hatte Orwell in Bezug auf die Dinosaurier recht?
Hierbei handelt es sich um eine KI-Transkription.
00:00:00:00 - 00:00:16:01
Abigail Acton
Sie hören CORDIScovery.
00:00:16:03 - 00:00:42:09
Abigail Acton
Hallo. Herzlich willkommen zu dieser Folge von CORDIScovery. Ich bin Abigail Acton und begrüße Sie. In Orwells Roman „Farm der Tiere“ behauptet seine Romanfigur:: „Vier Beine gut, zwei Beine schlecht“. Würde die Tyrannosaurier zustimmen? Oder verschaffte ihnen die Zweibeinigkeit einen evolutionären Vorteil? Diese Hypothese der lokomotorischen Überlegenheit wurde erstmals vorgeschlagen, um zu erklären, was Dinosaurier von anderen Triaspopulationen unterschied und möglicherweise ihr Überleben bis in den Jura hinein begünstigte.
00:00:42:14 - 00:01:04:20
Abigail Acton
Aber stimmte das wirklich? Zu untersuchen, wie sich heutige Vögel, Krokodile und andere Tiere bewegen, kann uns viel über die Biomechanik ausgestorbener Tiere und deren Einfluss auf ihr Überleben verraten. Abgesehen von der Fortbewegung prägte die Art und Weise, wie Dinosaurier mit ihrer Umwelt interagierten, die Welt um sie herum, und somit bietet die Koevolution von Arten und Ökologie über geologische Zeiträume hinweg Einblicke in moderne Ökosysteme.
00:01:05:00 - 00:01:29:20
Abigail Acton
Was können wir somit von einer verschwundenen Welt lernen? Schätzungen zufolge gibt es mehr als acht Millionen Arten, die uns mit Nahrung versorgen und zu unserem Wohlbefinden und unserer Gesundheit beitragen, aber wir wissen immer noch nicht viel darüber, wo und warum biologische Vielfalt entsteht und vergeht. Was können wir tun, um die evolutionären Wiegen der zukünftigen biologischen Vielfalt zu schützen? Und sind paläoklimatische Simulationen und Modellierungen hilfreich? In diesen Zeiten des Massenaussterbens
00:01:29:20 - 00:01:56:16
Abigail Acton
brauchen wir alle Erkenntnisse, die wir bekommen können. Deshalb helfen uns unsere drei heutigen Gäste dabei, zu diesen Erkenntnissen zu gelangen. Alle drei wurden mit Mitteln aus der EU-Forschungs- und Innovationsfinanzierung unterstützt. John Hutchinson ist Mitglied der Royal Society und eine führende Persönlichkeit auf dem Gebiet der evolutionären Biomechanik. Sein Ansatz vereint experimentelle und computergestützte Methoden (wie z. B. Simulationen), um Hypothesen über Form, Funktion und Leistungsfähigkeit des Bewegungsapparates zu prüfen.
00:01:56:18 - 00:01:57:22
Abigail Acton
Hallo John.
00:01:57:24 - 00:01:59:01
John Hutchinson
Hallo. Es ist schön, dabei zu sein.
00:01:59:03 - 00:02:19:01
Abigail Acton
Ich freue mich, dass Sie hier sind. Davide ist Postdoktorand im Bereich Paläobiologie der Universität Birmingham. Er nutzt paläontologische Daten, um die Ursprünge, die Evolution und die ökologische Vielfalt von Gruppen und Ökosystemen in tiefer Vorzeit und im Verlauf großer evolutionärer Ereignisse wie Massenaussterben zu verstehen. Hallo Davide.
00:02:19:05 - 00:02:20:06
Davide Foffa
Ich grüße Sie. Ich freue mich, dabei sein zu dürfen.
00:02:20:12 - 00:02:40:14
Abigail Acton
Ich grüße Sie. Sara Varela ist Paläoökologin und leitende Forscherin an der Fakultät für Biologie der Universität Vigo in Spanien. Sie konzentriert sich schwerpunktmäßig auf den Zusammenhang zwischen Klima und Leben auf der Erde und darauf, wie Klimaveränderungen in der Vergangenheit die Verbreitungsgebiete und die evolutionären Entwicklungspfade der Arten beeinflusst haben. Hallo Sara.
00:02:40:21 - 00:02:42:18
Sara Varela
Hallo Abigail. Und ein Hallo an John und Davide. Es ist mir ein Vergnügen, dabei zu sein.
00:02:43:13 - 00:02:45:01
Abigail Acton
John, ich wende mich zuerst an Sie.
00:02:45:03 - 00:03:10:21
Abigail Acton
Im Rahmen des Projekts DAWNDINOS werden experimentell Faktoren wie dreidimensionale Skelettbewegungen, Gliedmaßenkräfte und Muskelaktivierungen bei Vögeln und Krokodilen gemessen, um vorherzusagen, wie sich zehn spättriassische Archosaurier fortbewegt haben könnten, und um nachzuprüfen, ob die Ergebnisse zu den erwarteten Mustern entsprechend der Theorien über die lokomotorische Überlegenheit passen. Was glaubten wir denn vor Ihrer Arbeit, was zum Erfolg der Dinosaurier beitrug, und was bedeutete dieser Erfolg tatsächlich?
00:03:10:23 - 00:03:43:01
John Hutchinson
Seit den 1980er Jahren herrschte in der Paläontologie weitgehend Einigkeit darüber, dass die Dinosaurier das Massenaussterben am Ende der Trias vor etwa 200 Millionen Jahren überlebt hatten und sich im Jura und in der Kreidezeit weiter diversifizierten und an Land die Vorherrschaft errangen. Einfach durch Zufall oder zusammenfallende Ereignisse, die in keinem Zusammenhang mit irgendwelchen bestimmten Anpassungsmechanismen standen. Dass die Dinosaurier in gewisser Hinsicht einfach Glück hatten.
00:03:43:01 - 00:03:49:16
John Hutchinson
Das war die vorherrschende Meinung. Es wurden kaum wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, in denen das Gegenteil behauptet wurde.
00:03:49:18 - 00:04:06:05
Abigail Acton
Ich verstehe. Und dennoch haben wir Evolution immer als einen Prozess der Anpassung und Perfektionierung sowie der Besetzung einer bestimmten ökologischen Nische und so weiter betrachtet. Dann erscheint es doch etwas seltsam, sich vorzustellen, dass wir ausgerechnet im Zusammenhang mit der Urzeit nicht daran gedacht haben, dass es auch dort anwendbar sein könnte.
00:04:06:07 - 00:04:31:17
John Hutchinson
Das ist tatsächlich ein Rätsel. Ein Massensterben zu überleben, ist an sich schon ein Erfolg. Evolution besteht jedoch nicht nur aus Anpassung. Und es gibt auch Zufallsereignisse, die nichts damit zu tun haben. Zum Beispiel die Fähigkeit eines Organismus, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten; es kann einfach Pech sein, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.
00:04:31:19 - 00:04:41:13
Abigail Acton
Genau. Tatsächlich. Es ist somit entweder etwas Besonderes oder es ist einfach Glück, ich verstehe. Wie sind Sie denn vorgegangen, um die Zusammenhänge zwischen Vielfalt in der Fortbewegung und Überleben aufzudecken?
00:04:41:15 - 00:05:04:20
John Hutchinson
Nun, wie Sie schon sagten, führten wir zunächst Studien mit lebenden Tieren durch, die eng mit diesen triassischen Tieren verwandt oder sogar Nachkommen dieser Vogel- und Krokodilgruppen sind. Damit konnten wir unser Verständnis erweitern und zudem prüfen, wie gut wir die Bewegungen dieser Tiere unserer Gegenwart im Vergleich zu den tatsächlich erhaltenen experimentellen Daten modellieren und simulieren können.
00:05:04:20 - 00:05:48:00
John Hutchinson
Wir gelangten zu dem, was Validierung oder Test der Qualität unserer Modelle und Simulationen genannt werden könnte. Und das hat letztlich unser Vertrauen in die Qualität der Ansätze gestärkt. Wir entwickelten dann Modelle und Simulationen der ausgestorbenen Tiere mithilfe eines Verfahrens, das ich im Verlauf meiner 25-jährigen Karriere verfeinert habe. Dabei begannen wir mit den Knochen und fügten dann immer mehr Informationen hinzu, um ein Ganzkörpermodell eines Dinosauriers oder eines anderen Tieres mit Muskeln und so weiter zu erstellen. Dann simulierten wir mit dem Computer, wie sich dieses Tier bewegt haben könnte, wobei wir die in das Modell eingegebene Anatomie, Physiologie usw. anwendeten, und das Ergebnis war die Prognose von Bewegungen.
00:05:48:00 - 00:06:02:11
John Hutchinson
Anschließend können wir die Bewegungen bei verschiedenen Verhaltensweisen wie Gehen, Laufen und Springen zwischen den Arten vergleichen und beobachten, ob eine von ihnen für bestimmte Dinge besser geeignet ist. Womit wir dann zu guter Letzt bei der Frage der Überlegenheit landen.
00:06:02:13 - 00:06:05:18
Abigail Acton
Okay. Das ist wirklich faszinierend. Was für Dinge fanden Sie denn heraus?
00:06:05:20 - 00:06:29:13
John Hutchinson
Das Ganze war ziemlich kompliziert. Wir mussten feststellen, dass sich der Simulationsansatz zu Projektbeginn wirklich sehr, sehr schwierig gestaltete. Die Methoden befanden sich auf dem Gebiet der Biomechanik des Menschen gerade erst in der Reifephase. In der Paläontologie oder in Studien über andere Tiere, außer über den Menschen, waren sie nicht wirklich weit fortgeschritten.
00:06:29:13 - 00:06:35:04
Abigail Acton
Ich verstehe. Wenn Sie von menschlicher Biomechanik sprechen, meinen Sie dann eher Szenarien in der Gesundheitsversorgung? Genau.
00:06:35:05 - 00:06:49:11
John Hutchinson
Dabei dient die Modellierung und Simulation menschlicher Bewegungen dazu, die Art und Weise, wie sich Menschen bewegen können, zu verbessern und andere menschliche Probleme zu lösen, zum Beispiel bei Opfern von Schlaganfällen, Menschen mit Zerebralparese usw. Das sind Bereiche, in denen intensiv geforscht wird.
00:06:49:13 - 00:06:54:18
Abigail Acton
So ist es. Im paläontologischen Kontext ist es aber noch nicht ganz so weit fortgeschritten. Wie sind Sie denn dann weiter vorgegangen?
00:06:54:21 - 00:07:16:12
John Hutchinson
Wir haben diese Methoden angepasst, um unsere lebenden, nicht ausgestorbenen Tiere zu erforschen. Wir mussten sie uns selbst aneignen, denn sie waren derart neu, dass wir eine Menge Arbeit investieren mussten, um sie zu erlernen und sie auf alles Nichtmenschliche anzuwenden. Denn auch wenn die Methoden sehr auf den Menschen zugeschnitten waren, mussten wir das Rad nicht neu erfinden.
00:07:16:12 - 00:07:38:01
John Hutchinson
Und es hat funktioniert. Wir haben dort Fortschritte erzielt, aber wir konnten nicht alles simulieren, was wir gern simuliert hätten, da es sich als enormer Arbeitsaufwand herausstellte. Aber ich bin in meiner Karriere noch nicht zu spät dran, um nicht weiterzumachen zu können. Genau. Die Analyse dieser Daten hat ergeben, dass wir mit dem, über das wir bereits verfügen, derart viel Material haben, dass wir damit die nächsten Jahrzehnte beschäftigt sein dürften.
00:07:38:01 - 00:07:52:03
Abigail Acton
Fantastisch. Und welche Tiere haben Sie beobachtet? Also. Ich meine, Sie sagten, dass Sie Krokodile und Vögel beobachtet haben. Und ich denke, das gilt auch für andere Dickhäuter wie Nashörner und so weiter. Was genau haben Sie unternommen? Man kann ja nicht einfach hingehen und sich ein Nashorn oder ein Krokodil schnappen. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
00:07:52:06 - 00:07:56:19
John Hutchinson
Nun ja, wir haben tatsächlich Vögel und Krokodile in unser Labor geholt.
00:07:57:00 - 00:07:58:12
Abigail Acton
Wirklich Krokodile?
00:07:58:14 - 00:08:19:24
John Hutchinson
Ja, ein paar Nilkrokodile. Sie waren nicht sehr groß. Nur etwa einen Meter lang. Aha. Aber immer noch gefährlich genug. Genau. Da war Vorsicht angesagt. So ist es. Wobei die Vögel nur etwa 500 Gramm wogen. Diese kleinen Vögel, die Steißhühner, stammen aus Südamerika. Wir nutzen sie für Experimente, um an reale Daten darüber zu gelangen, wie echte Tiere agieren.
00:08:20:01 - 00:08:24:09
Abigail Acton
Wurden sie gefilmt oder gescannt, oder gefilmt und anschließend gescannt?
00:08:24:15 - 00:08:47:13
John Hutchinson
Wir filmten sie bei verschiedenen Verhaltensweisen, beispielsweise beim Bewegen über Geräte, mit denen gemessen wurde, wie stark sie Druck auf ihre Umgebung ausüben. Beim Filmen wurde auch eine Art Röntgenvideo aufgenommen. Wir ließen die Tiere durch Röntgenstrahlen hindurchgehen, die uns mithilfe einer am Röntgengerät befestigten Videokamera in Echtzeit offenbarten, wie sich das Skelett im Inneren des Tieres bewegte.
00:08:47:16 - 00:08:57:21
John Hutchinson
Auf diese Weise wurden uns sehr hochwertige Daten über die Fortbewegung dieser Tiere geliefert, wodurch wir wiederum die Qualität unserer Modelle und Simulationen besser überprüfen konnten.
00:08:57:22 - 00:09:04:08
Abigail Acton
Ich verstehe. Okay. Das verstehe ich jetzt. Nun, könnten Sie den Zuhörerenden zum Beispiel kurz erklären, was ein Theropode ist?
00:09:04:10 - 00:09:33:08
John Hutchinson
Ja, natürlich. Ein Theropode ist bzw. war ein zweibeiniger, fleischfressender oder zumindest anfänglich fleischfressender Dinosaurier. Er stammte aus der Triaszeit. Theropoda sind eine der ersten Dinosauriergruppen, die erschienen und dann das gesamte Mesozoikum überlebten. Sie brachten Wesen wie Velociraptor und T-Rex, die Theropoden sind, und zu guter Letzt auch die Vögel hervor, die eigentlich Dinosaurier sind, weil sie Nachkommen der Theropoden sind.
00:09:33:08 - 00:09:38:17
Abigail Acton
Und was konnten Sie über ihre Körpergrößen und die Veränderungen ihrer Körpergrößen in Zusammenhang mit beispielsweise ihren Oberschenkelknochen herausfinden?
00:09:38:22 - 00:10:09:03
John Hutchinson
Nun, es war ja bekannt, dass Theropoden anfangs recht klein waren, dann aber ziemlich schnell, vor allem im Jura und bekanntermaßen in der Kreidezeit, große Körperausmaße erreichten. Das war allgemein bekannt. Das entdeckten wir zwar nicht, aber wir haben durch Vergleiche von etwa Oberschenkelknochen und ähnlichem ab der Trias festgestellt, dass es dramatische Veränderungen in der Knochenform gab, die mit der Größe und der Art der Fortbewegung der Tiere zusammenhingen.
00:10:09:04 - 00:10:15:12
John Hutchinson
Würden wir also die Form der Knochen des Tieres kennen, könnten wir bis zu einem gewissen Grad Aussagen dazu treffen, wie es sich fortbewegt haben könnte.
00:10:15:16 - 00:10:37:22
Abigail Acton
So ist es. Tatsächlich. Und dann noch ein letzter Punkt. Ich habe gestern Nachrichten gehört und das war sehr interessant, denn es wurde auf BBC Radio 4 über die jüngste Entdeckung in einem Steinbruch in Oxfordshire berichtet: 100 Theropoden-Fußabdrücke, die sich über eine Strecke von 220 Metern erstrecken. Dabei kam mir der Gedanke, dass es ein sehr passender Moment war, mir das anzuhören, kurz bevor wir mit dieser Aufnahme hier begannen.
00:10:37:22 - 00:10:44:09
Abigail Acton
Und jetzt wird mir klar, John, dass die Spuren Ihnen tatsächlich sehr viel darüber verraten müssen, wie sich diese Tiere in ihrer Umgebung bewegt haben.
00:10:44:14 - 00:11:07:04
John Hutchinson
Auf jeden Fall. Sicher. Ein Tier kann im Lauf seines Lebens Tausende Spuren hinterlassen, aber am Ende bleibt nur ein Skelett übrig, falls dieses denn überhaupt von jemandem gefunden wird. Informationen aus Trittspuren sind somit überaus wertvoll, aber leider geben sie uns nicht unbedingt Auskunft darüber, wer den Abdruck hinterlassen hat oder wie deren Anatomie aussah, abgesehen von den Füßen. Trittspurdaten verfügen deshalb nur über sehr begrenzte Aussagekraft.
00:11:07:04 - 00:11:12:22
John Hutchinson
Aber sie sind extrem wichtig, da es sich um reale Verhaltensweisen handelt, die im geologischen Archiv aufgezeichnet wurden.
00:11:13:02 - 00:11:21:03
Abigail Acton
Großartig. Sie fügen also zumindest eine weitere Dimension hinzu. Okay. Super. Und wenn wir nun überlegen, ob zwei Beine gut oder vier Beine schlecht sind, wie lautet dann das Endergebnis?
00:11:21:05 - 00:11:49:17
John Hutchinson
Ich denke, das ist eine sehr differenzierte Angelegenheit. Mir wurde während meiner Forschung klar, dass die verschiedenen Hypothesen, warum die Dinosaurier das Massenaussterben erfolgreich überlebten, sich nicht unbedingt gegenseitig ausschließen. Es könnte sein, dass Dinosaurier einfach Glück hatten, aber gleichermaßen erfolgreich waren und bestimmte Anpassungen stattfanden, die ihnen halfen, das Trias-Massenaussterben zu überleben, etwa ein athletischerer Körperbau.
00:11:49:17 - 00:12:06:22
John Hutchinson
Es gibt aber ebenfalls Hinweise darauf, dass sie unterschiedliche Wachstumsstrategien hatten, ziemlich schnell wuchsen, vielleicht schon früh in ihrer Evolution warmblütig waren und so weiter. Wahrscheinlich gibt es hier eher mehrere übereinstimmende anstatt konkurrierender Hypothesen.
00:12:06:22 - 00:12:15:22
Abigail Acton
Das erscheint sinnvoll. Das ist alles Teil des Gesamtbildes. Wirklich. Super. Ich danke Ihnen sehr. Sie haben uns das so gut erklärt, John. Vielen Dank. Hat jemand Fragen an John? Ja bitte, Davide.
00:12:15:24 - 00:12:45:15
Davide Foffa
Ich habe nur eine kleine Anmerkung. Wir wissen, dass es im Mesozoikum die Evolution von ähnlichem Bauplänen in verschiedenen Perioden gab. Im Trias waren im Wesentlichen alle Baupläne vorhanden, die später auch bei den Dinosauriern zu finden waren. Ich denke, das spricht für das, wie Sie es gesagt haben, und zwar, dass es nicht nur darum geht, ein Massenaussterben zu überleben, sondern auch darum, ähnliche Strategien zu wiederholen, um sich gut an die Umwelt anzupassen.
00:12:45:16 - 00:12:48:00
Davide Foffa
Ich weiß nicht, ob Sie das kommentieren möchten.
00:12:48:02 - 00:13:15:18
John Hutchinson
Nun, es wurde davon ausgegangen, dass Dinosaurier die einzigen Mitglieder dieser breitgefächerten Gruppe waren, zu der auch Krokodile, Vögel und andere ausgestorbene Tiere aus der Triaszeit gehören, die zweibeinig zu laufen begannen. Daher wurde der Bipedalismus, also das Gehen und Laufen auf zwei Beinen, als ein Merkmal der Dinosaurier innerhalb dieser Gruppe angesehen. Doch in den letzten Jahrzehnten wurde der Fachwelt bewusst, dass es einige Mitglieder der Krokodillinie gab, die Zweibeinigkeit entwickelten.
00:13:15:24 - 00:13:36:01
John Hutchinson
Somit handelt es sich nun nicht mehr nur um eine Dinosaurier-Sache, und das führt uns auch zu dem Schluss, dass die Zweibeinigkeit nicht unbedingt Teil des Erfolgs der Dinosaurier war. Zudem gab es mit Sicherheit eine konvergente Evolution zwischen einigen Tieren der Krokodillinie und Dinosauriern. Und das ist nur ein Beispiel.
00:13:36:03 - 00:13:50:02
Abigail Acton
Ich weiß gar nicht, warum mir das ein derart breites Grinsen ins Gesicht zaubert, aber ich habe plötzlich die Vision eines Krokodils, das auf seinen Hinterbeinen herumläuft. Vielleicht sollte Sie das auch zum Lächeln bringen. Oder suchen Sie dann eher das Weite? Aber egal. Okay. Ich danke Ihnen vielmals. Davide, ich wende mich jetzt an Sie.
00:13:50:04 - 00:14:17:20
Abigail Acton
Das Massenaussterben an der Perm-Trias-Grenze, auch als Perm-Trias-Ereignis bekannt, löschte über 70 % aller Wirbeltierarten aus. Innerhalb des Projekts ECODIV wurden permisch-triassischen Ökosystemen zuzuordnende Fossilienfunde sowie neue Felddaten untersucht, um zu ermitteln, wie sich die ökologische Struktur und Zusammensetzung der Landsysteme im Laufe des Perm-Trias-Ereignisses veränderten und in welchem Zusammenhang dies mit der Wiederherstellung der biologischen Vielfalt stand. Davide, was meinen Sie, welche Lücken bestehen in unserem Wissen über die biologische Vielfalt der Vergangenheit?
00:14:17:22 - 00:14:38:04
Davide Foffa
Vielen Dank. Ich gehe davon aus, dass wir heute über ein eher unvollständiges Bild der biologischen Vielfalt der Vergangenheit verfügen, da wir zwar sehr gut darin sind, zu verstehen, welche Arten zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhanden sein werden, zumindest mehr oder weniger. Gestehen Sie mir hier bitte etwas Spielraum zu. Aber wir wissen weitaus weniger darüber, welche ökologischen Rollen die Arten im Gesamtökosystem einnehmen.
00:14:38:06 - 00:14:57:21
Davide Foffa
Und ich glaube, dass es sich hierbei um zwei Aspekte handelt, die gleichermaßen wichtig sind, denn nur das Zusammenwirken dieser beiden Faktoren verrät uns etwas über die Zusammensetzung des Ökosystems, aber auch über seine Struktur, seine Resilienz gegenüber Störungen und, allgemeiner gefasst, über den Entwicklungsverlauf der biologischen Vielfalt über die Zeit.
00:14:58:02 - 00:15:00:13
Abigail Acton
Okay. Fantastisch. Aber warum die Triaszeit?
00:15:00:15 - 00:15:29:10
Davide Foffa
Die Trias bildet meiner Meinung nach ein ideales Szenario, denn sie beginnt nach dem größten Massenaussterben, das jemals stattgefunden hat, was bedeutet, dass es vor etwa 252 Millionen Jahren eine Riesenlücke an Rollen in den Ökosystemen gab. Somit taten sich reichlich Chancen für die Evolution neuer Gruppen auf. Und tatsächlich konnten wir die Entwicklung vieler Gruppen beobachten, die auch heute noch existieren.
00:15:29:10 - 00:15:47:22
Davide Foffa
Wie John bereits erwähnte, entwickelten sich aus den Dinosauriern die Vögel, die zunächst in der Trias die Evolution durchliefen, und es folgten Eidechsen, deren Anfänge auch dort liegen, Schildkröten, moderne Amphibien und Säugetiere. Sie alle gehören zu einer Gruppe, die sich nach dem Massenaussterben an der Perm-Trias-Grenze diversifizierte.
00:15:48:02 - 00:15:52:09
Abigail Acton
Fantastisch. Vielen Dank. Ja, das ist wirklich gut erklärt. Können Sie uns mitteilen, was Sie im Verlauf des Projekts gelernt haben?
00:15:52:11 - 00:16:20:21
Davide Foffa
Sicher. Wir bestätigen im Grunde viele der zuvor aufgestellten Hypothesen. Wir konnten beispielsweise bestätigen, dass die Evolution neuer Gruppen nach dem Aussterben das Ökosystem auf vielfältige Weise und nicht nur die Zusammensetzung, welche Tierarten zu dieser Zeit existierten, veränderte. Sie brachten auch Innovation, neue Entwicklungen mit sich, die wiederum neue ökologische Rollen entstehen ließen.
00:16:20:22 - 00:16:24:13
Abigail Acton
Könnten Sie uns vielleicht ein paar Beispiele nennen, damit wir das etwas besser verstehen können?
00:16:24:15 - 00:16:47:22
Davide Foffa
Auf jeden Fall. Das eindeutigste Beispiel wären für mich die Flugsaurier. Sie waren die ersten Wirbeltiere, die jemals fliegen konnten. Vorher flog am Himmel gar nichts. Aber es gibt noch viele weitere Beispiele dafür. Beispielsweise im Perm vor dem Aussterben spielten Reptilien nur eine untergeordnete Rolle.
00:16:47:22 - 00:17:12:18
Davide Foffa
Sie waren eher klein und verhielten sich im Wesentlichen so, wie es auch Eidechsen von heute tun würden. Aber auch hier erbitte ich mir etwas Interpretationsspielraum. Nach dem Aussterben kam es jedoch zur Ausbreitung vieler, vieler verschiedener Gruppen, die John auch erforscht hat. Und Untersuchungen wie die von John belegen,
00:17:12:18 - 00:17:39:05
Davide Foffa
dass wir damit beginnen, vielen verschiedenen Dingen auf den Grund zu gehen. Vor der Trias gab es keine derart großen Reptilien, und keine, die auf dem Wasser schwammen. Oder keine, die sowohl auf dem Wasser als auch an Land leben konnten. Es gab keine riesigen Fleischfresser. Bei den Reptilien gab es überhaupt keine Pflanzenfresser. Gleichzeitig waren keine fliegenden Reptilien in Sicht und auch keine Reptilien,
00:17:39:05 - 00:17:49:12
Davide Foffa
die auf zwei Füßen hätten gehen können. Es geht also nicht nur um die Evolution neuer Gruppen, sondern auch darum, welche Innovationen sie in das Ökosystem einbringen.
00:17:49:14 - 00:18:11:16
Abigail Acton
Fantastisch. Okay. Ich finde es ziemlich faszinierend zu hören, wie es möglich ist, zu einem Bild von Geschehnissen in der Urzeit zu gelangen, denn schließlich liegt das alles schon so unglaublich lange zurück. Können Sie uns genauer erläutern, wie Sie diese Schlussfolgerungen ziehen konnten? Denn ich weiß, für Nichtfachleute wie mich klingt das Ganz fast schon wie Magie. Könnten Sie uns bitte einen kleinen Einblick in Ihre Herangehensweise geben, damit wir nachvollziehen können, wie Sie zu diesen Erkenntnissen gekommen sind?
00:18:11:18 - 00:18:16:02
Davide Foffa
Selbstverständlich. Ja, es klingt tatsächlich etwas nebulös, nicht wahr?
00:18:16:02 - 00:18:17:06
Abigail Acton
Doch, ein bisschen schon.
00:18:17:08 - 00:18:36:19
Davide Foffa
Der passende Ausgangspunkt für mich ist der Fossilbefund. Wir müssen wissen, welche Tiere zu der Zeit lebten, um zu wissen, welche Dinge wir unternehmen können. Nun, und wir schauen uns die Fachliteratur an. Außerdem sind frühere Studien lohnend, aber am liebsten verknüpfe ich diese Erkenntnisse mit der Durchsicht von Museumssammlungen und Feldstudien.
00:18:36:21 - 00:19:10:21
Davide Foffa
Die ersten drei Teile – Literatur, Museumssammlungen und vorhergehende Studien –, verschaffen uns ziemlich genau Aufschluss darüber, in welchem Bereich wir was finden könnten. Aber sie weisen uns auch darauf hin, was uns fehlt. Der Fossilienbestand ist immer unvollständig. Und so können wir, denke ich, viel tun, um zu versuchen, Daten zu integrieren, die wir normalerweise nicht nutzen, ganze Museumssammlungen sind voll davon, Daten von Funden, die wir noch nie gesehen oder bearbeitet haben, die aber dennoch wertvoll sind.
00:19:10:23 - 00:19:18:16
Davide Foffa
Außerdem können wir raus aufs Feld gehen und Bereiche suchen, die wir bisher noch nicht erforscht haben, um die von uns erkannten Lücken zu schließen.
00:19:18:19 - 00:19:22:02
Abigail Acton
Und haben Sie das getan, Davide? Können Sie uns etwas über Ihre Feldarbeit berichten?
00:19:22:02 - 00:19:23:18
Davide Foffa
Natürlich, das ist mein Lieblingsteil.
00:19:23:19 - 00:19:25:14
Abigail Acton
Da bin ich mir sicher.
00:19:25:16 - 00:19:46:20
Davide Foffa
Die ersten beiden Jahre meines Projekts verbrachte ich in den Vereinigten Staaten. Ich war am Virginia Tech tätig und arbeitete dort mit meinen Kolleginnen und Kollegen zusammen. Wir unternahmen einige Expeditionen in den Südwesten, nach Texas, New Mexico und Arizona, um Gebiete mit den richtigen Gesteinsarten zu finden.
00:19:46:24 - 00:20:14:01
Davide Foffa
Die noch nicht so gründlich wie andere erkundet worden waren. Eine der wichtigsten, ja der liebsten Entdeckungen, war, dass wir uns besonders auf kleinere Tiere konzentrieren mussten. An Fundstätten mit Mikrovertebraten. Und dafür gibt es mehrere Gründe. Der eine, besser passend zur modernen Ökologie, lautet, dass die größte Vielfalt an Tieren bei kleiner Körpergröße auftrat.
00:20:14:01 - 00:20:14:12
Abigail Acton
Ja.
00:20:14:14 - 00:20:39:15
Davide Foffa
Dann gibt es auch einen historischen Aspekt, den John erwähnte. Die Evolution neuer Kladen beginnt oft bei einer geringen Körpergröße. Werden kleinere Dinge untersucht, stehen die Chancen besser, die im Frühstadium ihrer Evolution stehenden Individuen zu erkennen. Und mir war es besonders wichtig, zu einem möglichst vollständigen Bild des Aufbaus eines Ökosystems zu gelangen.
00:20:39:17 - 00:21:04:01
Davide Foffa
Selbst wenn es nur um einen einzelner Zahn ginge, würde ich einfach gern wissen, welche Tiere genau es dort gab, denn das verschafft uns ein lückenloseres Bild. Dabei stehen wir jedoch vor einem weiteren Problem. Wir verfügen nun über die Zusammensetzung. Wir haben die Artenliste für ein Ökosystem. Aber nun müssen wir diese Daten in ökologische Daten umwandeln. Und genau dort können wir uns Verfahren aus der modernen Ökologie, insbesondere der Merkmalsökologie, ausleihen.
00:21:04:03 - 00:21:43:09
Davide Foffa
Die Kunst dabei besteht darin, zu versuchen zu verstehen, was jedes einzelne Tier in seinem Ökosystem tut. Und um das zu verstehen, muss versucht werden herauszufinden, welche Körpergröße sie aufwiesen, wie sie sich ernährten, in welchem Lebensraum sie lebten und wie sie sich fortbewegten, und übrigens noch vieles mehr. Schon mithilfe dieser kleinen Anzahl von Merkmalen ist ein Ökosystem charakterisierbar, es ist möglich, eine sehr große Anzahl einzigartiger ökologischer Rollen und Kombinationen herauszufinden.
00:21:43:11 - 00:21:43:24
Abigail Acton
Fantastisch.
00:21:44:04 - 00:22:08:10
Davide Foffa
Zum Beispiel waren Johns Dinosaurier, die Theropoden, in der Trias kleine, bipedische Tiere, die auf zwei Beinen gingen, landlebend und fleischfressend waren. Das wäre dann deren ökologische Rolle. Wobei das ist für alle anderen Tiere im Ökosystem realisierbar ist. Das können Sie auch für alle anderen Fossilanhäufungen tun. Und dann vergleichen, wie diese Funde zueinander passen.
00:22:08:14 - 00:22:12:14
Abigail Acton
Und anschließend wird alles zusammengefügt und das Bild davon, wie die Welt zu dieser Zeit tatsächlich aussah, wird klarer.
00:22:12:14 - 00:22:17:11
Davide Foffa
Ja, das ist richtig. Und es ergibt sich eine Abfolge von Anhäufungen, wie diese sich im Lauf der Zeit gleichermaßen weiterentwickelten.
00:22:17:14 - 00:22:31:20
Abigail Acton
Ich verstehe. Okay. Super. Ich danke Ihnen vielmals, Davide. Das war wirklich sehr gut erklärt, ich weiß das sehr zu schätzen. Hat jemand Fragen oder Anmerkungen? Ja, bitte. Sara, möchten Sie etwas sagen?
00:22:31:22 - 00:22:41:10
Sara Varela
Ich habe eine neugierige Frage an Davide. Wie verbreitet ist es bei Leuten, die mit solchen Urzeitzenarien arbeiten, dass sie derart detailliert vorgehen?
00:22:41:12 - 00:23:08:11
Davide Foffa
Ich weiß, das ist eine gute Frage. Und die kurze Antwort lautet: Es ist gar nicht sehr verbreitet. Der Hauptgrund dafür ist, dass wir bis vor kurzem nicht wussten, wie verbreitet diese Dinge sind. Wir begannen erst vor wenigen Jahren damit, diese Anhäufungen wahrzunehmen. So ist es wirklich. Sie gibt es viel häufiger in jüngeren Stadien, also in der Kreidezeit, vielleicht auch in der Jura.
00:23:08:13 - 00:23:25:11
Davide Foffa
Das hat Vor- und Nachteile, denn Mikrovertebraten sind oft stark beschädigt und daher sehr schwer handhabbar. Oft steht kein vollständiges Skelett zur Verfügung. Der Vorteil ist jedoch, dass ein umfassenderes Bild des Ökosystems entsteht.
00:23:25:13 - 00:23:29:11
Abigail Acton
Wie groß sind denn Mikrovertebraten, Davide, von welcher Größenordnung sprechen Sie?
00:23:29:13 - 00:23:30:12
Davide Foffa
Wir können es
00:23:30:14 - 00:23:31:00
Abigail Acton
Aha.
00:23:31:00 - 00:23:39:24
Davide Foffa
ungefähr auf den Millimeterbereich eingrenzen. So. Vielleicht sogar weniger. Genau. Manche sind so winzig, dass sie ohne Mikroskop nicht sichtbar sind.
00:23:39:24 - 00:23:47:23
Abigail Acton
Somit sprechen wir über Teile von Tieren. Ja, genau. Nicht von einem ganzen Tier, das nur ein paar Millimeter groß ist. Sie meinen Bestandteile kleiner Tiere.
00:23:47:23 - 00:23:53:04
Davide Foffa
Genau. Das Nützlichste davon sind die Zähne. Kleine Teile, kleine Kiefer.
00:23:53:06 - 00:23:53:18
Abigail Acton
Diese Art der Fossilien.
00:23:53:18 - 00:23:59:07
Davide Foffa
Ja, oft reichen sie aus, um zu erkennen, welche Art oder zumindest welche Tiergruppe in der Gegend unterwegs war.
00:23:59:07 - 00:24:21:04
Abigail Acton
Das ist ausgezeichnet. Okay. Danke für die Klarstellung. Das war eine gute Antwort auf die Frage. Wirklich. Tatsächlich. Ich meine, wie funktioniert das überhaupt? Faszinierend, nicht wahr? Ich wende mich jetzt an Sie, Sara. Im Rahmen von MAPAS wurden Modellierungs- und Kartierungsverfahren genutzt, um die Entstehung und das Aussterben von Arten in der Urzeit zu untersuchen und auf diese Weise die theoretischen und praktischen Fragen zu beantworten, wo und warum Arten entstehen, sich ausbreiten und schließlich verschwinden.
00:24:21:07 - 00:24:34:24
Abigail Acton
Ihre Arbeit überschneidet sich ein wenig mit der von Davide, da er versucht, ein klareres ökologisches Bild in seiner ganzen Vielfalt zu zeichnen. Und genau daran sind Sie auch interessiert. Warum, Sara, halten Sie diese Forschung für notwendig?
00:24:35:01 - 00:24:43:11
Sara Varela
Warum das wichtig ist? Weil es einen ganz klaren Zusammenhang gibt. Wenn wir das Leben verstehen, können wir zum Beispiel vorhersagen, was in der Zukunft geschehen wird.
00:24:43:11 - 00:24:55:07
Sara Varela
Gerade eben stecken wir in einem großen Schlamassel, weil wir die Natur in einem wirklich rasenden Tempo zerstören. Wir müssen das verstehen, weil wir von der Natur abhängig sind.
00:24:55:09 - 00:25:06:23
Abigail Acton
Auf jeden Fall. Okay gut. Wie ging das Team von MAPAS vor, um die Aussterberaten und das Verschwinden von Arten besser zu verstehen?
00:25:07:00 - 00:25:14:23
Sara Varela
Ja, wir versuchen es zumindest. Gegenwärtig herrscht die allgemeine Auffassung vor, dass das Klima eine wichtige Rolle spielt und dass sich die Verbreitung der Arten aufgrund des Klimawandels verändert.
00:25:15:00 - 00:25:37:08
Sara Varela
Spricht man mit Fachleuten für Paläontologie, dann sagen die zum Beispiel: Okay, wegen dieser großen Klimaveränderung gibt es mehr oder weniger Arten, oder diese Art breitet sich aus oder jene Art stirbt aus, solche Dinge eben. Unser Ziel bestand darin, zu messen, zu quantifizieren und zu versuchen, etwas wie Was-wäre-wenn-Szenarien zu erstellen. Wenn der Klimawandel auf diese Weise abläuft, was geschieht dann? Das ist unser Ziel.
00:25:37:11 - 00:25:55:00
Abigail Acton
Okay, und Sie befinden sich, glaube ich, an einem Kreuzungspunkt zwischen zwei normalerweise getrennten Fachgebieten: der Ökologie, die verschiedene Arten im Raum betrachtet, und der Evolution, die Unterschiede im Zeitverlauf untersucht. Wie funktioniert das an so einem Kreuzungspunkt, worin besteht der Vorteil für Sie? Und wie genau gelangen Sie an Ihre Daten?
00:25:55:00 - 00:26:13:20
Sara Varela
Die Daten stammen von Leuten, die Feldstudien durchführen. Wir verfügen über große Datensätze, die jetzt online verfügbar sind. Und das ist eine gemeinsame Anstrengung, da sind viele Menschen beteiligt. Es gibt inzwischen auch Physikerinnen und Physiker, die sich mit dem Klima beschäftigen und wirklich gute Modelle für die Gegenwart erstellen, um die Zukunft zu verstehen. Sie werden aber auch in diese Modelle eingefügt, um die Vergangenheit zu verstehen.
00:26:13:20 - 00:26:33:02
Sara Varela
Das funktioniert prima. Wir leben jetzt in einer Zeit, in der wir versuchen können, computergestützte Biogeografie oder etwas Ähnliches zu betreiben, was in der Vergangenheit nicht möglich war. Früher arbeiteten wir in einem bestimmten Gebiet an einem Ort und versuchten, das Klima dieses Ortes zu verstehen und den Ort zu beschreiben. Mittlerweile geht es um viele Orte.
00:26:33:02 - 00:26:45:22
Sara Varela
Wir verfügen beispielsweise über Klimamodelle, und wir versuchen, Erkenntnisse über Merkmale wie Anpassung aufgrund von Lebenseinschränkungen oder anderen Faktoren zu gewinnen.
00:26:45:24 - 00:26:56:08
Abigail Acton
Großartig. Können Sie mir bitte berichten, wie Sie innerhalb des Projekts MAPAS vorgegangen sind, Sara, um ein umfassenderes Bild zu erhalten? Was genau haben Sie unternommen?
00:26:56:10 - 00:27:21:04
Sara Varela
Dafür haben zwei Möglichkeiten, um voranzukommen. Zum einen werden einfach große Datenmengen aus beispielsweise dieser großen Datenbank mit Fossilbefunden geladen. Damit können wir beschreiben, was geschieht. Wir können versuchen, Andeutungen von Mustern zu erkennen und diese mit den dahinterliegenden potenziellen Prozessen zu verknüpfen, um zu verstehen, worin die Einschränkungen des Lebens bestehen. Und das Ganze zu überprüfen, versuchen wir, sogenannte mechanistische Modelle zu erstellen.
00:27:21:06 - 00:27:45:14
Sara Varela
Das sind dann selbst entworfene Modelle. Stellen Sie sich vor, die Welt beginnt mit einer einzigen Zelle, und diese Abstammungslinie, die Sie starten, weist bestimmte Merkmale auf. Man kann die Körpermasse, man kann alles eingeben, was normalerweise, wie Davide es erklärte, bei Arten der Vergangenheit üblich ist: Körpergröße, Ernährung und Fortbewegung. Das sind dann die klassischen drei Achsen der Paläo-Merkmale.
00:27:45:16 - 00:28:07:11
Sara Varela
Und anhand dieser können wir dann sagen, wie weit sie sich verbreiten. Wir haben zudem die Klimaschichten und das Klima in Schritten von jeweils einer Million Jahre ungefähr. Außerdem bewegen sich die Kontinente. Alles gleichzeitig. Das Ganze gleicht einem Videospiel: Sie lassen die Arten sich entwickeln, legen bestimmte Regeln fest und probieren dann verschiedene Was-wäre-wenn-Szenarien aus.
00:28:07:11 - 00:28:29:23
Abigail Acton
Was geschieht, wenn das Klima die Evolution der Abstammungslinie bestimmt? Welche Rolle spielt der konkurrierende Behaviorismus dabei? Gibt es beispielsweise eine Momentanleistung, die mit Niederschlag oder Ähnlichem zusammenhängt? Wir bauen Was-wäre-wenn-Szenarien auf und versuchen herauszufinden, welche Muster sich am Ende ergeben, wie viele Arten wir in den einzelnen Gebieten sehen. Viele solcher Dinge.
00:28:29:23 - 00:28:33:03
Abigail Acton
Okay, das klingt hervorragend. Brillant. Und was für Sachen konnten Sie dabei entdecken?
00:28:33:05 - 00:28:34:11
Sara Varela
Wir sind immer noch dabei.
00:28:34:11 - 00:28:37:15
Abigail Acton
Ja, aber was konnten Sie als Letztes herausfinden?
00:28:37:17 - 00:28:51:10
Sara Varela
Ich glaube, die Menschen konzentrieren sich sehr auf Spezialisierung und sehen manche Arten als etwas ganz Besonderes, das nur in den Tropen vorkommt. Das ist erstaunlich, und wir sehen in den Tropen eine größere Artenvielfalt, weil dort typischerweise mehr Spezialisierung und Nischenaufteilung stattfindet.
00:28:51:10 - 00:29:05:16
Sara Varela
Das ist der ökologische Rahmen und das, was die Menschen denken. Wir entdecken gerade, dass es wirklich etwas Schönes ist, Generalist zu sein. Und dass tatsächlich alle Ökosysteme von Generalistenarten dominiert werden können.
00:29:05:16 - 00:29:10:12
Abigail Acton
Wenn Sie von Generalistenarten sprechen, was genau meinen Sie damit?
00:29:10:12 - 00:29:14:10
Sara Varela
Sie sind überaus anpassungsfähig und können sowohl in den Tropen als auch in gemäßigten Zonen überleben.
00:29:14:10 - 00:29:15:14
Abigail Acton
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
00:29:15:18 - 00:29:18:22
Sara Varela
Der Wolf ist eine sehr generalistische Spezies.
00:29:18:24 - 00:29:28:20
Abigail Acton
Der Wolf. Na klar. Großartig. Vielen Dank. Genau. Okay. Und dann gäbe es noch spezialisierte Lebewesen wie Koalas, die sich ausschließlich von einer bestimmten Art Eukalyptusblättern ernähren.
00:29:28:22 - 00:29:31:02
Sara Varela
Es kann dabei um die Ernährung gehen, es kann um das Klima gehen.
00:29:31:02 - 00:29:44:05
Sara Varela
Es gibt auch verschiedene Arten der Spezialisierung. Nehmen wir zum Beispiel den Ameisenbären: Er ist zwar sehr spezialisiert in Ernährungsfragen, aber er lebt in sehr unterschiedlichen Umgebungen. Ja, man kann es aufteilen.
00:29:44:10 - 00:29:55:14
Abigail Acton
Fantastisch. Und so können die Fossilienfunde und andere Daten, Informationen aus der Paläontologie wie von John und Davide in Ihre Computermodelle einfließen. Und was können uns zu guter Letzt verraten?
00:29:55:16 - 00:30:02:10
Sara Varela
Sie können uns helfen, Grundlagenwissen zu erwerben.
00:30:02:12 - 00:30:09:20
Abigail Acton
Fantastisch. Okay. Vielen Dank. Hat jemand Anmerkungen, oder Kommentare an Sara? Ja, John.
00:30:09:22 - 00:30:33:08
John Hutchinson
Interessant finde ich, dass, wie in der Paläontologie üblich, alle drei unserer Projekte stark auf den Fossilbefund selbst und echte Knochen und dergleichen angewiesen sind, worauf die gesamte Paläontologie letztendlich beruht: auf der Entdeckung von Funden und deren Aufbewahrung in Museen. Aber es gibt auch einen roten Faden, der all unsere Studien in Bezug auf Modellierung oder auch irgendeine Art von Simulation durchzieht.
00:30:33:10 - 00:31:06:07
John Hutchinson
Als jemand, der recht viel damit zu tun hat, treffe ich manchmal auf Leute, die sagen: „Ach, das kommt ja nur vom Modell“, was meiner Meinung nach als eine Art Abwertung theoretischer Ansätze gemeint ist, im Gegensatz zu sehr empirischen, auf Beobachtung beruhenden Ansätzen wie etwa der Untersuchung von Fossilien. Deshalb frage ich mich, Sara, wie Sie die Vor- und Nachteile von Modellierung und Simulation in Ihrer Art der Forschung beurteilen?
00:31:06:09 - 00:31:33:19
Sara Varela
Ich denke, dass wir in der Forschung alle Modelle verwenden, selbst die Leute, die Dinge messen, nehmen eine Varianzanalyse oder etwas in der Art vor, und auch das sind Modelle. Diese Vergleichsmittelwerte mit einer Verteilung – das sind Modelle. Wir befinden uns alle jetzt in einer Phase, in der wir über kleine Statistiken und Tests verfügen. Und nun betreten wir eine weitaus komplexere Welt, einfach weil wir es können, weil Computer heute schneller und billiger sind.
00:31:33:21 - 00:31:47:23
Sara Varela
Jetzt können wir Dinge tun, die vor zehn oder zwanzig Jahren schlicht unmöglich waren. Neben Modellen benötigen wir Daten und wir brauchen Leute wie Davide, die ins Feld gehen und extrem detaillierte Daten sammeln, um all diese Dinge nachzuprüfen.
00:31:47:23 - 00:31:53:13
Abigail Acton
Und erst recht John, ich meine, er hat sich zwanzig Jahre lang von Nashörnern und Krokodilen durchs Labor jagen lassen.
00:31:53:15 - 00:32:11:24
Abigail Acton
Das muss doch auch gewürdigt werden. Ja, ja, ja. Nein, sie sind beide sehr praktisch veranlagte Menschen. Hervorragend. Das war wirklich sehr interessant. Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Zeit. Ich finde, Sie alle haben Ihre Arbeit und die Art und Weise sehr gut erklärt, wie sie aus den Tiefen vergangener Zeit Licht in die Zukunft bringt. Ich finde dieses Konzept überaus interessant und spannend.
00:32:11:24 - 00:32:13:09
Davide Foffa
Vielen Dank. Ich danke Ihnen vielmals.
00:32:13:09 - 00:32:14:24
John Hutchinson
Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Vielen Dank.
00:32:15:00 - 00:32:16:12
Sara Varela
Ich danke Ihnen vielmals.
00:32:16:14 - 00:32:37:20
Abigail Acton
Auf Wiedersehen. Ich verabschiede mich von Ihnen allen herzlich. Auf Wiedersehen. Auf Wiederhören, allerseits. Wenn Ihnen dieser Podcast gefallen hat, folgen Sie uns auf Spotify und Apple Podcasts oder wo auch immer Sie Ihre Podcasts streamen. Und schauen Sie sich die Startseite auf der CORDIS-Website an. Melden Sie sich an, damit Ihnen nicht die spannendsten Forschungsergebnisse der EU-finanzierten Wissenschaft entgehen. Und wenn Ihnen das Zuhören Freude bereitet hat, dann erzählen Sie es doch bitte weiter.
00:32:38:01 - 00:33:00:20
Abigail Acton
Wir haben über Roboterbienen und die Forschung gesprochen, die uns besser Asteroiden ablenken lässt. In unseren insgesamt fünfzig Folgen wird etwas dabei sein, das auch Ihre Neugierde weckt. Vielleicht möchten Sie wissen, was im Rahmen weiterer EU-finanzierte Projekte auf dem Gebiet der Paläontologie unternommen wird? Die CORDIS-Website verschafft Ihnen einen Einblick in die Ergebnisse der innerhalb von Horizont 2020 und Horizont Europa finanzierten Projekte, die sich mit diesem Bereich beschäftigen.
00:33:00:22 - 00:33:16:13
Abigail Acton
Seien Sie willkommen und entdecken Sie die Forschung, die offenbart, wie unsere Welt tickt. Wir freuen uns stets darauf, von Ihnen zu hören. Schreiben Sie uns eine Nachricht an editorial@cordis.europa.eu. Bis zum nächsten Mal.
Koevolution und Ökologie – Lehren aus den Tiefen der Zeit
Die Hypothese der „lokomotorischen Überlegenheit“ wurde erstmals vorgeschlagen, um zu erklären, was Dinosaurier von anderen Triaspopulationen unterschied und möglicherweise das Überleben zweibeiniger Arten bis in den Jura hinein begünstigte. Aber stimmte das wirklich? Zu untersuchen, wie sich heutige Nashörner, Krokodile und andere Tiere bewegen, kann uns Aufschluss über die Biomechanik ausgestorbener Tiere und deren Einfluss auf ihr Überleben verschaffen. Abgesehen von der Fortbewegung prägte die Art und Weise, wie Dinosaurier mit ihrer Umwelt in Wechselwirkung traten, die Welt um sie herum. Aus der Koevolution von Arten und Ökologie über geologische Zeiträume hinweg lassen sich Erkenntnisse über moderne Ökosysteme ableiten: Was können wir somit von einer längst verschwundenen Welt lernen? Schätzungen zufolge gibt es mehr als acht Millionen Arten, die uns mit Nahrung versorgen, zu unserem Wohlbefinden und unserer Gesundheit beitragen. Jedoch wir wissen immer noch nicht viel darüber, wo und warum biologische Vielfalt entsteht und vergeht. Was können wir tun, um die evolutionären Wiegen der zukünftigen biologischen Vielfalt zu schützen, und sind paläoklimatische Simulationen und Modellierungen dabei hilfreich? In dieser Zeit des Massenaussterbens(öffnet in neuem Fenster) brauchen wir alle Erkenntnisse, die wir bekommen können. Unsere drei heutigen Gäste helfen uns dabei, zu diesen Erkenntnissen zu gelangen. Alle drei wurden mit Mitteln aus der EU-Forschungs- und Innovationsfinanzierung unterstützt. John Hutchinson(öffnet in neuem Fenster) ist Mitglied der Royal Society(öffnet in neuem Fenster) und eine führende Persönlichkeit auf dem Gebiet der evolutionären Biomechanik. Seine Herangehensweise vereint experimentelle und computergestützte Methoden (wie z. B. Simulationen), um Hypothesen über Form, Funktion und Leistungsfähigkeit des Bewegungsapparates zu prüfen. Er leitete das Projekt DAWNDINOS. Davide Foffa(öffnet in neuem Fenster) ist Postdoktorand im Bereich Paläobiologie der Universität Birmingham(öffnet in neuem Fenster). Er nutzt paläontologische Daten, um Ursprünge und Evolution von Ökosystemen in grauer Vorzeit und im Verlauf großer evolutionärer Ereignisse wie Massenaussterben zu verstehen. Dieses Thema erkundete er im Rahmen des Projekts ECODIV. Sara Varela(öffnet in neuem Fenster) ist Paläoökologin an der Fakultät für Biologie der Universität Vigo in Spanien. Innerhalb des Projekts MAPAS untersuchte sie den Zusammenhang zwischen Klima und Leben auf der Erde, und wie Klimaveränderungen in der Vergangenheit die Verbreitungsgebiete und evolutionären Entwicklungspfade von Arten beeinflussten.
Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören!
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