52. Mit künstlicher Intelligenz die Grenzen der Forschung sprengen
Hierbei handelt es sich um eine KI-Transkription.
00:00:00:00 - 00:00:39:04
Abigail Acton
Sie hören CORDIScovery. Herzlich willkommen zu dieser Folge von CORDIScovery. Ich bin Abigail Acton und begrüße Sie. Künstliche Intelligenz: Steuern wir auf eine düstere dystopische Zukunft zu oder auf eine, in der Arbeitskräfte von niederen Aufgaben entlastet werden? Das Thema maschinelles Lernen lässt uns nachdenken: Vereinfacht es unser Leben? Oder ist es übergriffig? Konzerne sammeln massenhaft Inhalte, um große Sprachmodelle zu trainieren, und zwar auf eine für die Nutzenden schwer zu kontrollierende Weise.
00:00:39:08 - 00:01:04:12
Abigail Acton
Klar ist, dass KI eine Riesensache ist, aber ist sie gewaltig gut oder gewaltig schlecht? Das scheint zur Debatte zu stehen. Kein Zweifel besteht daran, dass KI und die damit einhergehenden Werkzeuge die Grenzen der Forschung verschieben. Heute werden wir zumindest in Bezug auf unsere drei Projekte, die alle in den Genuss von EU-Finanzierung aus dem Bereich Forschung und Innovation kamen, etwas für Klarheit sorgen. Unsere drei Gäste nutzen diese Instrumente, um neue Technologien zu entwickeln und Entdeckungen zu machen, die zuvor schlicht unmöglich gewesen wären.
00:01:04:14 - 00:01:29:13
Abigail Acton
Wir gehen der Frage nach, wie KI die Grenzen des Wissens erweitert, um Prävention, Behandlung und Rehabilitation bei Schlaganfallbetroffenen zu verbessern, den bisher ungehörten Frauen im historischen Irland eine Stimme zu geben und ein kleines, leistungsfähiges System zur Erkennung von biologischen Bedrohungen zu entwickeln, das Leben retten kann. John Kelleher ist Direktor des ADAPT Research Ireland Centre for AI-Driven Digital Content Technology.
00:01:29:15 - 00:01:40:08
Abigail Acton
Und Professor für Informatik am Trinity College Dublin. Sein Fokus liegt auf der Nutzung von KI zur Erweiterung des Verständnisses und der Behandlung komplexer Krankheitsbilder. Hallo John. Herzlich willkommen.
00:01:40:11 - 00:01:44:20
John Kelleher
Hallo Abigail. Ich freue mich sehr, hier zu sein und bin gespannt auf unsere Diskussion.
00:01:44:22 - 00:02:01:09
Abigail Acton
Jane Ohlmeyer, Professorin für Neue Geschichte am Trinity College Dublin und ehemalige Vorsitzende des Irish Research Council, ist Expertin für Neue Britische und Atlantische Geschichte. Sie wendet KI an, um die Lebensrealitäten ganz normaler, nicht den Eliten zuzurechnender Frauen im frühneuzeitlichen Irland zu rekonstruieren. Hallo Jane.
00:02:01:11 - 00:02:02:23
Jane Ohlmeyer
Hallo. Es ist schön, hier sein zu können.
00:02:03:00 - 00:02:09:01
Abigail Acton
Und ich freue mich, dass Sie hier sind. Béla Mihalik ist leitender Entwickler bei Ideas Science in Ungarn.
00:02:09:03 - 00:02:19:12
Abigail Acton
Er ist auf die Anwendung von KI und Deep Learning zur Entwicklung neuartiger Werkzeuge spezialisiert, die potenzielle biologische Bedrohungen in Form von Krankheitserregern und Bakterien schnell erkennen können. Hi Béla.
00:02:19:14 - 00:02:21:00
Béla Mihalik
Hallo. Es ist gut, hier dabei zu sein.
00:02:21:06 - 00:02:39:13
Abigail Acton
Ich freue mich, dass Sie dabei sind. Vielen Dank. John, ich wende mich zuerst an Sie. Die Arbeit des Projekts STRATIF-AI baut auf der aktuellen Nutzung des maschinellen Lernens bei Schlaganfallbetroffenen auf, um die Reaktion deutlich individueller und zeitnaher zu gestalten. John, die Gesundheitsversorgung ist einer der Bereiche, der am meisten von KI profitiert. Können Sie uns etwas über die Ziele des Projekts STRATIF-AI berichten?
00:02:39:15 - 00:03:07:03
John Kelleher
Ja gewiss, Abigail. Beim Projekt STRATIF-AI sind wir an der Integration heterogener Datensätze interessiert und konzentrieren uns auf die Gewinnung von Erkenntnissen für die Patientinnen und Patienten in Bezug auf ihr gesamtes Leben, mit besonderem Augenmerk auf die möglichen Auswirkungen von Schlaganfällen. Wir versuchen, eine kontinuierliche Stratifizierung vorzunehmen, worauf auch der Titel des Projekts zurückzuführen ist. Wir versuchen, KI-Werkzeuge zu erschaffen, die das Schlaganfallrisiko eines Menschen über seine gesamte Lebensdauer hinweg kontinuierlich stratifizieren und ihm dabei helfen können, sein Schlaganfallrisiko zu beeinflussen und zudem nach einer Schlaganfallbehandlung bessere Ergebnisse zu erzielen.
00:03:07:05 - 00:03:16:06
Abigail Acton
Okay. Super. Wie haben Sie die Patientinnen und Patienten ermittelt, die Sie weiterverfolgen wollten, und wie haben Sie sie zur Teilnahme bewogen?
00:03:16:08 - 00:03:40:01
John Kelleher
Unser oberstes Ziel ist, eine breite Abdeckung der gesamten Bevölkerung und nicht nur eine bestimmte Kohorte zu erreichen. Wir wollen für die Gesamtbevölkerung Instrumente entwickeln, die für alle geeignet sind, um jemanden von der frühesten Jugend an über das ganze Leben hinweg, auch bei einem Schlaganfall, in der Akutversorgung und der Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach dieser Betreuung zu begleiten.
00:03:40:01 - 00:03:45:00
John Kelleher
Das ultimative Ziel ist also, dass jeder Mensch durch diese Forschung unterstützt und aktiv positiv beeinflusst wird.
00:03:45:02 - 00:03:53:01
Abigail Acton
Okay, fabelhaft. Das klingt wirklich nach einem sehr guten Ziel. Wie setzen Sie dabei nun künstliche Intelligenz ein? Was können Sie mit künstlicher Intelligenz erreichen?
00:03:53:03 - 00:04:17:06
John Kelleher
Wir vereinen bei dieser Forschung zwei verschiedene Arten künstlicher Intelligenz, zum einen geht es um das sogenannte Modell des digitalen Zwillings. Ein digitaler Zwilling verkörpert die Idee, dass wir ein Computermodell erstellen, das auf eine bestimmte Person zugeschnitten ist. Die Erstellung eines digitalen Zwillings lässt das Modell sehr interpretierbar werden. Einfach aufgrund der Struktur des Modells können wird verstehen, wie sich die verschiedenen Variablen, die den Gesundheitszustand der Person repräsentieren, im Zeitverlauf entwickeln.
00:04:17:08 - 00:04:56:23
John Kelleher
Es bestehen jedoch einige Herausforderungen bei der Entwicklung dieser Modelle hinsichtlich der Maßstabsanpassung an große Bevölkerungsgruppen und der Integration sehr unterschiedlicher Datentypen. Deshalb kombinieren wir diese Technologie der digitalen Zwillinge mit dem, was wir maschinelles Lernen nennen. Maschinelles Lernen ist eine Art Analyse sehr großer Datensätze, um Muster und Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Merkmalen zu extrahieren. Dadurch, dass wir diese beiden Ansätze der künstlichen Intelligenz, maschinelles Lernen und digitalen Zwillinge, zusammenbringen, versuchen wir, personalisierte, interpretierbare Systeme zu entwickeln, die skalierbar sind und große heterogene Datensätze zusammenführen können, sodass ein Individuum in der Lage sein wird, sein während seines gesamten Lebens bestehendes Schlaganfallrisiko zu verstehen und es positiv zu beeinflussen.
00:04:56:24 - 00:05:02:13
Abigail Acton
Fantastisch. Um dann vielleicht auch Ratschläge zu erhalten, dank derer es möglich ist, das Risiko zu senken.
00:05:02:15 - 00:05:30:00
John Kelleher
Ganz genau. So ist es. Wir möchten zum Beispiel die Maßnahmen, die einer Person vorgeschlagen werden, auf ihr Schlaganfallrisiko abstimmen und ihr helfen zu verstehen, wie sich dieses im Verlauf ihres Lebens entwickelt und auf welche Weise Änderungen in ihrer Lebensweise dieses Risiko beeinflussen können. Ich denke, einer der wirklich interessanten Aspekte in diesem Zusammenhang ist, dass je früher jemand eine Veränderung in seinem Leben in Bezug auf das Schlaganfallrisiko vornimmt, desto größer ist der Effekt, den dies auf den lebenslangen kumulativen Ansatz hat.
00:05:30:05 - 00:05:58:09
John Kelleher
Somit kann selbst eine sehr kleine Veränderung sehr früh im Leben, zum Beispiel durch eine frühzeitige Veränderung des Cholesterinspiegels, einen enormen Nutzen für das ganze Leben haben. Und je früher wir in den Lebensverlauf einer Person eingreifen, umso größer ist der kumulative Nutzen. Sie können sich nun vorstellen, dass wir, wenn wir bis zu einem späteren Zeitpunkt im Leben abwarten, um in die gesundheitliche Entwicklung eines Menschen einzugreifen, intensivere Maßnahmen ergreifen müssen, zum Beispiel mithilfe von Arzneimitteln.
00:05:58:11 - 00:06:10:03
John Kelleher
Unser eigentliches Ziel ist es, den Leuten bereits frühzeitig im Leben die Möglichkeit zu verschaffen, das Risiko zu verstehen und kleine Änderungen in ihrem Lebensstil vorzunehmen, die hilfreich dabei sind, später im Leben größere Interventionen zu vermeiden.
00:06:10:05 - 00:06:26:22
Abigail Acton
Das unterscheidet sich natürlich etwas von den aktuellen Ansätzen des Gesundheitssystems, nach denen gesagt wird, alle sollten fünfmal am Tag Gemüse und Obst essen und so und so viele Schritte gehen und so weiter. Der Unterschied besteht darin, dass Ihre Beratung sehr stark auf die Einzelperson zugeschnitten wäre.
00:06:26:22 - 00:06:35:13
Abigail Acton
Sie würden einen viel strukturierteren, tieferen Einblick in die verschiedenen Dinge bekommen, die alle zusammenspielen. Ist das korrekt?
00:06:35:15 - 00:06:59:01
John Kelleher
Ja genau. Eines der faszinierendsten Dinge an Gesundheit und Medizin ist, dass wir zwar Informationen über Risikofaktoren auf Bevölkerungsebene gewinnen können, wir jedoch alle Individuen und alle verschieden sind. Und wie sie in unseren eigenen Systemen interagieren, fällt immer anders aus. Wir versuchen deshalb, personalisierte und individuell zugeschnittene Modelle zu erarbeiten, die Risikofaktoren erfassen.
00:06:59:01 - 00:07:32:24
John Kelleher
Beispielsweise könnte in Betracht gezogen werden, dass manche Menschen eine genetische Veranlagung bezüglich bestimmter Risikofaktoren in sich tragen. Dann gibt es noch Aspekte hinsichtlich der sogenannten Epigenetik, gemäß denen unser Lebensstil Gene ein- und ausschaltet, die Risikofaktoren verursachen, verschlimmern oder verstärken oder verringern. Wir versuchen zum Beispiel genetische Informationen mit dem Lebensstil, sozusagen Natur und Nahrung, zu kombinieren, um ein weitaus individuelleres Risiko für eine Person zu ermitteln, als wenn wir die Person nur als Teil einer Population betrachten, in der alle allen anderen ähneln.
00:07:32:24 - 00:07:47:15
Abigail Acton
Und der Vorteil besteht dann natürlich darin, dass Sie durch diese persönlichen Eingangswerte viel motivierter sind, die Vorschläge zu befolgen, weil sie speziell auf Abigail Acton oder John Kelleher, oder wen auch immer zugeschnitten sind. Ich denke, es wird dann möglicherweise ernster genommen.
00:07:47:17 - 00:08:08:19
John Kelleher
Ja, einer der wirklich spannenden Aspekte des Projekts ist, dass bei unserem Partner in Linköping, an der das Projekt koordinierenden Universität, die Idee verfolgt wird, dass wir diesen digitalen Zwilling nehmen, und der schöne Aspekt des digitalen Zwillings ist, dass wir den Gesundheitszustand der Person in der Zukunft simulieren können. Was wir entwickeln, ist das Konzept eines digitalen Zwillings, der über eine grafische Schnittstelle verfügt.
00:08:08:21 - 00:08:26:10
John Kelleher
Wir können nicht nur sagen, wie hoch das Risiko ist, sondern auch, wie es sich im Lauf der Zeit weiterentwickeln wird. Wir können Ihnen das dann aber auch grafisch veranschaulichen, um es noch viel stärker zu konkretisieren. Wir können Ihnen zum Beispiel zeigen, wie Sie mit diesem Lebensstil im Vergleich zu einem anderen altern würden, um die Befolgung von Vorschlägen oder die Therapietreue zu verbessern und Maßnahmen zu ergreifen, die den Menschen helfen und sie motivieren.
00:08:26:16 - 00:08:39:13
Abigail Acton
Auf jeden Fall. Das klingt sehr motivierend. Ist das etwas, das dann zum Beispiel als App auf dem Telefon zu finden wäre? Man könnte es einfach aus der Tasche ziehen und in Echtzeit sehen, wie sich getroffene Entscheidungen auf einen auswirken. Wäre das letztlich das Ziel?
00:08:39:15 - 00:09:06:12
John Kelleher
Wir haben da zwei unterschiedliche Aspekte. Ja genau. Zum einen verfügen Sie über eine Gesundheitsdatenbank auf Ihrem Mobiltelefon, in der Sie Ihr persönliches Gesundheitsprofil und Ihre Gesundheitsakte mit sich führen können. Zum anderen gibt es eine größere grafische Anzeige, die einem intervenierenden Gesundheitsdialog dienen könnte, demgemäß Sie vielleicht alle zehn oder fünf Jahre mit einer medizinischen oder ärztlichen Fachkraft sprechen, und wir könnten dort eine Simulation durchführen und Ihnen einen Plan mit Ihren Angaben erstellen.
00:09:06:18 - 00:09:27:09
John Kelleher
Oder wir simulieren für Sie eine Ganzkörperbildgebung und wir können mit Ihnen zusammenarbeiten und mitteilen: Wenn Sie dies und das ändern, wenn Sie zum Beispiel Ihre Kalorienzufuhr reduzieren, Ihren Cholesterinspiegel senken, dann passiert jenes, oder es geschieht das. Und anhand dieses Einblicks, der Ihnen verschafft wurde, können Sie darüber nachdenken. Welchen Plan möchten Sie für die nächsten fünf oder zehn Jahre verfolgen?
00:09:27:10 - 00:09:28:00
Abigail Acton
Fantastisch.
00:09:28:02 - 00:09:34:17
John Kelleher
Damit die Patientinnen und Patienten und ihre Ärztinnen und Ärzte miteinander sprechen und gemeinsam Behandlungs- und Unterstützungspläne entwickeln.
00:09:34:17 - 00:09:45:08
Abigail Acton
Es geht also eher um Zusammenarbeit als um Verordnungen. Wunderbar. Ist es vorstellbar, dass digitale Zwillinge auch an anderen Stellen der Gesundheitsversorgung zum Einsatz kommen können? Fallen Ihnen weitere Anwendungsmöglichkeiten ein, die Ihrer Meinung nach nützlich sein könnten?
00:09:45:10 - 00:10:06:19
John Kelleher
Auf jeden Fall. Das wirklich Spannende an digitalen Zwillingen ist ihre Fähigkeit, die Evolution eines Systems zu simulieren. Für ein System hier könnte das die weitere Entwicklung einer Krankheit bei einer Person bedeuten. Zum Beispiel können digitale Zwillinge bei allen Arten von Gesundheitsfragen helfen,
00:10:07:00 - 00:10:33:16
John Kelleher
bei denen eine chronische, langfristige Entwicklung der Krankheit bei einer Person vorliegt. Aber auch wenn wir uns von den Überlegungen zur Präzisionsmedizin für die Einzelperson lösen, können wir zum Beispiel auch über die Logistik der Gesundheitsversorgung nachdenken. Über die Simulation des Krankenhausbetriebs und des Anlagenmanagement, denn der digitale Zwilling kann entweder eine Person oder ein physisches System simulieren. Vielleicht können wir die Logistik rund um die Gesundheitsversorgung verbessern und dadurch die wirtschaftliche Belastung des Gesundheitswesens verringern.
00:10:33:18 - 00:10:51:22
John Kelleher
Aber es gibt auch die Idee von Simulation in der Wirkstoffentwicklung und bei medizinischen Geräten. Dazu versuchen wir, diese Technologien zu nutzen, um die Geschwindigkeit zu erhöhen, mit der wir neue Behandlungen oder Geräte entwickeln sowie Vorrichtungen und Eingriffe an Einzelpersonen simulieren können, um zu prüfen, wie wirksam sie sind, bevor sie zum Einsatz kommen.
00:10:52:02 - 00:11:01:02
Abigail Acton
Und wie wäre es mit einem digitalen Zwilling eines echten Krankheitserregers, sodass die Auswirkungen einer Behandlung auf diesen Krankheitserreger im digitalen Zwilling sichtbar werden könnten?
00:11:01:04 - 00:11:23:07
John Kelleher
Auf jeden Fall. Die Herausforderung bei der Entwicklung digitaler Zwillinge besteht darin, und eines der Dinge, die wir im Zusammenhang mit dieser Herausforderung tatsächlich verfolgen bzw. angehen, ist, dass digitale Zwillinge enorme Ressourcen darstellen und Vorteile für die Zukunft bieten. Das Schwierige dabei ist, dass wir für ihre Umsetzung eine Theorie, ein Modell dafür benötigen, wie sich ein System, ein Prozess im Zeitverlauf entwickelt, und das kann sich bei der Realisierung als problematisch erweisen.
00:11:23:12 - 00:11:43:24
John Kelleher
Und genau hier kommt die Komplementarität zwischen digitalem Zwilling und maschinellem Lernen zum Tragen. Denn maschinelles Lernen versetzt uns in die Lage, einige der Interaktionen auf höherer Ebene zu modellieren, komplexe Interaktionen, von denen wir vielleicht glauben, über theoretisches Wissen zu verfügen. Durch Integration dieser Inhalte in den digitalen Zwilling kann der digitale Zwilling ein Modell erstellen, das interpretierbar ist und mit dem sich Berechnungen nachvollziehen lassen.
00:11:44:01 - 00:11:52:17
John Kelleher
Also in die Bereiche, die wir verstehen, und in die wir aber die Muster integrieren, die mit maschinellem Lernen aus großen Datenmengen gewonnen werden, damit das gesamte System umfassender funktionieren kann.
00:11:52:19 - 00:11:59:11
Abigail Acton
Wunderbar. Das klingt nach einer ganz wunderbaren Art und Weise, wie die KI die Grenzen der Forschung sprengt. Ich danke Ihnen vielmals, John.
00:11:59:13 - 00:12:21:06
John Kelleher
Deshalb denke ich, dass es sich bei der Integration der digitalen Zwillinge, sozusagen der theoretischen Ansätze im Gegensatz zu den datengesteuerten maschinellen Lernansätzen, die diese hochgradigen Interaktionen erfassen, noch bevor wir sie überhaupt verstehen, um einen vielversprechenden Ansatz handelt. Diese hybride Modellierung wird es uns ermöglichen, mit dem Aufbau von Systemen zu beginnen, die sowohl unser vorhandenes Verständnis als auch unsere Ressourcen integrieren, also Dinge, die wir modellieren können, die sich jedoch in gewisser Weise unterscheiden.
00:12:21:06 - 00:12:32:23
John Kelleher
Wir integrieren sie nun und lassen sie dann langsam mit den ursprünglichen Systemen zusammenwachsen, wodurch unser Wissen wächst und die Systeme besser interpretierbar werden.
00:12:33:00 - 00:12:54:23
Abigail Acton
Wunderbar. Vielen Dank, John. Ich wende mich jetzt an Jane. Die Rolle der Frauen im frühneuzeitlichen Irland war zwar in einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels von zentraler Bedeutung, dennoch sind die Geschichten dieser Frauen, die deren Widerstandsfähigkeit inmitten sozialer Umbrüche und Traumata unterstreichen, weitgehend in Vergessenheit geraten. Das Projekt VOICES lässt sie jetzt hörbar werden. Denn auch in den Geisteswissenschaften eröffnen sich dank KI völlig neue Horizonte.
00:12:55:02 - 00:13:00:19
Abigail Acton
Worin lagen die Herausforderungen für Sie, bevor diese Werkzeuge zur Verfügung standen, und was können Sie jetzt damit tun?
00:13:00:21 - 00:13:22:16
Jane Ohlmeyer
Die größte Herausforderung bestand eigentlich darin, Zugang zu den Handschriften selbst zu erhalten und dann Zugang zu Material zu bekommen, das zwar in digitaler Form vorlag, aber nicht interoperabel war. Das war einfach nicht der Fall. Diese digitalen Silos kommunizierten nicht miteinander. Und gerade in diesen beiden Bereichen hat KI sehr unsere Arbeit unterstützt.
00:13:22:16 - 00:13:38:17
Jane Ohlmeyer
Ich glaube, dass wir gerade erst damit anfangen, dieses Potenzial zu erforschen. Aber wenn wir es richtig anstellen, wird KI die Geschichtsforschung wirklich revolutionieren, nicht nur im Bereich der Frauenforschung, aber bei uns stehen natürlich die Frauen im Mittelpunkt.
00:13:38:17 - 00:13:46:05
Abigail Acton
Aber klar, davon gehe ich aus. Ich meine, das ist nur schwer vorstellbar, selbst für mich als Journalistin. Die Zeit, bevor all diese Werkzeuge verfügbar wurden und so weiter.
00:13:46:05 - 00:13:53:22
Abigail Acton
Aber wie wäre so etwas in der Vergangenheit realisiert worden? Hätten Sie in der Vergangenheit überhaupt ein solches umfangreiches Projekt bewältigen können – ohne derartige Werkzeuge?
00:13:53:24 - 00:14:10:12
Jane Ohlmeyer
Nun, KI gestattet es uns, diese Geschichte in großem Maßstab zu schreiben, weil sie uns erlaubt, Aufzeichnungen abzufragen, insbesondere Aufzeichnungen über Steuern oder demografische Unterlagen, deren Analyse unglaublich zeitaufwändig ist, oder juristische Akten.
00:14:10:18 - 00:14:36:13
Abigail Acton
Und wir stellen fest, dass die Frauen tief in ihnen vergraben sind, Abigail. Mit KI können wir diese Frauen überhaupt erst finden. Erst wenn sie einmal aufgetaucht sind, dann analysieren wir natürlich, was wir finden. Sie hat uns wirklich enorm geholfen, die nicht den Eliten zugehörigen Frauen zu identifizieren und Zugang zu ihnen zu erhalten, die, wie ich schon sagte, sehr tief in den Aufzeichnungen verborgen sind.
00:14:36:15 - 00:14:39:01
Abigail Acton
Sehr gut. Was für Dinge fanden Sie denn, Jane?
00:14:39:03 - 00:15:06:06
Jane Ohlmeyer
Was wir feststellen, ist, dass sich die Frauen eigentlich die ganze Zeit über vor aller Augen versteckt haben. Und wir müssen zugeben, dass sich Aufzeichnungen, die wir zuvor für nutzlos hielten, nun als äußerst wertvoll erweisen. Lassen Sie mich über ein Beispiel berichten. Wir verfügen über sogenannte Beerdigungseintragungen aus dem Irland des 17. Jahrhunderts, das Äquivalent zu den Todesanzeigen heute.
00:15:06:08 - 00:15:35:11
Jane Ohlmeyer
Und die Leute hatten sie nie wirklich beachtet. Aber wir stellen nun fest, dass es bei über einem Drittel davon tatsächlich um Frauen geht und sie von Frauen handeln. So wurde ganz plötzlich dank unserer Interaktionen mit KI und testamentarischen Dokumenten ein ganzer Fundus an neuen Materialien ausgegraben. Wobei wir wiederum davon ausgingen, dass es aus einer Vielzahl von Gründen keine oder nur sehr wenige Testamente von Frauen gab.
00:15:35:13 - 00:15:53:13
Jane Ohlmeyer
Aber wir haben inzwischen etwa 500 davon aufgedeckt. Auch hier hat sich KI als äußerst hilfreich erwiesen, da wir sie mit ihr identifizieren und dann digitale Stellvertreterinnen erstellen konnten, die wir anschließend analysierten und befragten.
00:15:54:05 - 00:16:09:10
Abigail Acton
Ich muss hier kurz einhaken, denn das ist so interessant. Mein Gehirn sprudelt nur so über vor lauter Fragen, die ich Ihnen zuerst stellen möchte. Und dann denke ist, dass es ein bisschen so sein muss, wie wenn eine Archäologin ein bisher unbekanntes Grab entdeckt, das Neues über die gesamte Kultur dieser Zeit verrät.
00:16:09:10 - 00:16:12:18
Abigail Acton
Ich finde das absolut faszinierend. Das muss sehr spannend sein. Jane, ist es aufregend?
00:16:12:20 - 00:16:28:04
Jane Ohlmeyer
Oh, es ist so aufregend, Abigail, das kann ich dir sagen. Denn erst denkst du, dass da sowieso nichts zu finden ist. Und plötzlich ist ein Drittel der Aufzeichnungen relevant und interessant, und dabei handelt es sich auch noch um Aufzeichnungen, von denen wir dachten, dass viele einfach gar nicht existieren.
00:16:28:06 - 00:16:48:03
Jane Ohlmeyer
Denn 1922 wurde das Archiv in Irland zerstört. Es handelt sich somit um einen dieser Fälle, in denen das gesamte Material verstreut ist, d. h. es handelt sich um Abschriften, Kopien, die überall verstreut sind, und die wir dank der Technologie auf eine meiner Meinung nach sehr wichtige und innovative Weise wieder zusammenfügen können.
00:16:48:08 - 00:16:52:03
Abigail Acton
Oha. Sie sagten, das Material sei offenbar verloren gegangen.
00:16:52:05 - 00:16:59:09
Abigail Acton
Und wo haben Sie es wiedergefunden? Die verstreuten Abschriften von Duplikaten wurden an Orten gefunden, an denen bisher noch nicht gesucht wurde?
00:16:59:09 - 00:17:20:14
Jane Ohlmeyer
Im den Nationalarchiven in Dublin befinden sich einige Testamente, von denen nicht bekannt war, dass sie den Brand überstanden hatten. Das also offensichtlich. Ich verstehe. Wir stoßen aber auch auf Abschriften in Privatsammlungen oder in Publikationen, die vor 1922 veröffentlicht wurden, dem Jahr, in dem der große Brand wütete.
00:17:20:16 - 00:17:32:03
Jane Ohlmeyer
Sie befinden sich an Hunderten verschiedenen Orten, und sie sind einfach derart unterschiedlich. Hier ergibt sich eine Möglichkeit, all diese digitalen unverhofften Glücksfälle zu bündeln.
00:17:32:05 - 00:17:44:19
Abigail Acton
Ich liebe digitale Glücksfälle. Und das müssen sie wohl auch sein, denn Testamente bilden ein Fenster zu einer Gesellschaft in einer Kultur. Zum Beispiel fällt mir natürlich sofort ein, dass Frauen offensichtlich über Eigentum verfügten, das sie zu vererben hatten, und alle möglichen anderen Dinge.
00:17:44:19 - 00:17:48:00
Abigail Acton
Nennen Sie mir doch bitte einige der Erkenntnisse, die Sie bei der Durchsicht solcher Dokumente gewinnen.
00:17:48:00 - 00:18:15:13
Jane Ohlmeyer
Nun, was die Testamente angeht, so erfahren wir aus ihnen viel über materielle Kultur und Besitz, etwa den Schmuck und die Haushaltsgegenstände. Das ist die eine Seite, aber sie berichten auch etwas darüber, wen Frauen am meisten schätzen, über ihre engen Netzwerke und darüber, dass Frauen dazu neigen, insbesondere bewegliches Vermögen, manchmal aber auch Land und Sachwerte an andere Frauen zu vererben.
00:18:15:15 - 00:18:36:16
Jane Ohlmeyer
Wir fangen gerade erst an, all das aufzuarbeiten, und dabei ist zu bedenken, dass eine Frau im 17. Jahrhundert keine eigene rechtliche Identität hatte, es sei denn, sie war Witwe. Und eine verheiratete Frau konnte nur dann ein Testament machen, wenn ihr Mann ihr das erlaubte. Auch hier gelangen wir an Einblicke, die wir nicht für möglich gehalten hätten.
00:18:36:18 - 00:18:37:18
Jane Ohlmeyer
Ja, das ist eine großartige Sache.
00:18:37:23 - 00:18:52:00
Abigail Acton
Ja, das klingt wirklich spannend. Können Sie uns irgendwelche Geschichten oder Beispiele zum Besten geben, die Sie ausgraben konnten, die Sie überrascht haben oder bei denen Sie das Gefühl hatten, dass Sie, vielleicht kann ich das alte Klischee verwenden, eine Art Heureka-Moment erlebten?
00:18:52:02 - 00:18:57:06
Jane Ohlmeyer
Wir haben sehr viele Aha-Erlebnisse. Das ist wirklich eine aufregende Sache.
00:18:57:06 - 00:19:24:11
Jane Ohlmeyer
Dabei wir sind erst seit zwei Jahren mit dem Projekt beschäftigt, Abigail. Wir sollten in ein paar Jahren wieder darüber sprechen, denn wissen Sie, mein Kollege befasst sich intensiv mit dem irischen Obersten Gerichtshof, dem Gericht für Billigkeitsrecht, wo eine große Anzahl von Frauen als Klägerinnen und Beklagte auftraten. Und es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie diese Frauen in Momenten persönlicher Krisen aus dem Schatten treten und oftmals vor Gericht gehen, um ihre eigenen Interessen zu schützen.
00:19:24:11 - 00:19:50:08
Jane Ohlmeyer
Dabei könnte es sein, dass sie bei ihrer Heirat etwas Geld erhalten haben und ein männlicher Verwandter versucht, ihnen ihr Geld, ihr Land oder ihr Eigentum zu stehlen, oder dass sie vor Gericht gehen, um die Interessen ihrer Kinder oder ihren Ruf zu schützen. Wir haben einen ziemlich pikanten Bericht über eine junge Frau, die eine Beziehung mit einem Mann eingegangen war.
00:19:50:10 - 00:20:12:11
Jane Ohlmeyer
Sie bekam ein außereheliches Kind und heiratet danach. Und der Ehemann, den sie geheiratet hat, verklagt tatsächlich ihren ehemaligen Liebhaber wegen Rufschädigung seiner Frau. Das ist die Art von Geschichten, die normalerweise aus der Historie verschwinden. Ja, damit gelingt ein sehr persönlicher Einblick in das Leben der Menschen.
00:20:12:13 - 00:20:20:10
Abigail Acton
Absolut wunderbar. Vielen Dank, dass Sie uns das alles erklärt haben und es so lebendig dargelegt haben. Hat jemand Fragen an Jane?
00:20:20:12 - 00:20:42:06
John Kelleher
In der Tat, ich würde Jane gern etwas fragen. Ich bin fasziniert vom Projekt VOICES und freue mich übrigens sehr darüber, dass Sie neue Technologien einsetzen, um die Vergangenheit auf neue Weise zu verstehen, insbesondere Technologien, die sich sehr schnell weiterentwickeln. Ich würde Sie wirklich gern darum bitten, darüber nachzudenken oder sich vorzustellen, wie sich diese KI-Systeme weiterentwickeln. Wie sie zukünftig auf eine Weise konzipiert werden könnten, dass die historische Forschung verbessert und unterstützt wird.
00:20:42:06 - 00:20:47:23
John Kelleher
Welche Ressourcen erhoffen Sie sich davon, und wie wird KI Ihrer Meinung nach in Zukunft die historische Forschung prägen?
00:20:48:00 - 00:21:17:18
Jane Ohlmeyer
Oh, das ist eine großartige Frage, John. Ich wünsche mir ein KI-System, das transparent ist. Ich möchte, dass die Informatikleute, ganz zu schweigen von den Historikerinnen und Historikern, die zugrunde liegenden Algorithmen verstehen. Ich befürworte ein KI-System, das ethische Grenzen hat, und dass dieser ethische Kodex das geistige Eigentum aller schützt, die daran mitarbeiten.
00:21:17:20 - 00:21:48:07
Jane Ohlmeyer
Aber als Drittes wünsche ich mir ein KI-System, das umweltbewusst ist. Ich bin mir dessen deutlich bewusst, dass das gegenwärtige System gierig nach Energie und Wasser und vor allem nach generativer KI ist. Mit Blick in die Zukunft sind diese ethischen und ökologischen Fragen für mich von enormer Bedeutung. Ich werde mich dann viel wohler fühlen, wenn ich dem KI-System, das wir erfinden, vertrauen kann.
00:21:48:07 - 00:21:54:21
Jane Ohlmeyer
Denn gerade im Moment ist Vertrauen mein grundlegender Einwand beziehungsweise meine Sorge in Bezug auf KI.
00:21:54:23 - 00:22:12:15
Abigail Acton
Ja. Ich denke, das können wir alle hundertprozentig nachvollziehen. Perfekt. Vielen Dank. Béla, ich wende mich jetzt an Sie. Terrorismus kann viele Formen annehmen, auch biologische. Biowaffen stellen vor allem aufgrund der Schwierigkeiten bei ihrer Erkennung eine Bedrohung dar. Mit dem Projekt HoloZcan wird dieses Problem jedoch direkt angegangen.
00:22:12:18 - 00:22:21:05
Abigail Acton
Das Projekt nutzt KI, um Ausrüstung zu entwickeln, die den Ersteinsatzkräften im Notfall zur Seite stehen soll. Welches Problem wollten Sie lösen, Béla?
00:22:21:07 - 00:22:54:06
Béla Mihalik
Nun. Das Problem war Gegenstand des EU-Projekts ENCIRCLE. Seine Arbeit widmete sich der Ermittlung von Lücken, denn es gibt keine guten Werkzeuge zur Vor-Ort-Erkennung biologischer Gefahren. Wir wollten ein Gerät erschaffen, das in der Praxis und zudem auch in vielen Szenarien zum Einsatz kommen kann, nicht nur in einer bestimmten Situation.
00:22:54:06 - 00:23:13:12
Béla Mihalik
Das ist natürlich eine große Herausforderung. Denn es geht über den Stand der Technik hinaus. Wir begannen jedoch darüber nachzudenken, wie wir Mikroskopie, insbesondere holografische Mikroskopietechnologie, einsetzen können, um eine Lücke zumindest teilweise zu schließen, auch wenn damit nicht das gesamte Problem zu lösen sein wird.
00:23:13:14 - 00:23:22:11
Abigail Acton
Ah. Sie konnten einen guten Start in Richtung dieses Ziels hinlegen. Béla, auf welchen Wegen können gegenwärtig mögliche Gefahren durch einem biologischen Angriff erkannt werden?
00:23:22:13 - 00:23:50:18
Béla Mihalik
Zurzeit bildet die PCR-Methode den gängigsten Nachweis. Aber auch die Fluoreszenzmarkierungsmethoden und die DNS-Sequenzierung erfordern stets Laborvorbereitungen. Das sind echte Langzeitverfahren. Außerdem liefert zum Beispiel die PCR-Software auch falsch positive Ergebnisse. Das bedeutet, sie kann signalisieren, dass eine Bedrohung vorliegt, obwohl das nicht stimmt.
00:23:50:18 - 00:24:20:20
Béla Mihalik
Und diese Gefahr ist mit über 20 bis 30 % für derzeit nachweisbare Krankheitserreger sehr hoch. Zweitens gibt es gegenwärtig keine Lösung für das Problem der epigenetischen Fragmente. Das bedeutet, dass gefährliche Fragmente in der DNS nachweisbar, aber auf Proteinebene nicht vorhanden sind. Also gar nicht schädlich sind.
00:24:20:22 - 00:24:29:08
Abigail Acton
Sie meinen, dass mit den Systemen von heute DNS-Fragmente nachgewiesen werden können? Ja! Die dann aber in gewisser Weise nicht korrekt sind? Worin besteht das Problem beim Einfangen der Fragmente?
00:24:29:10 - 00:25:01:24
Béla Mihalik
Das Problem ist, dass wir keine gefährlichen Fragmente finden können, die für gefährliche Proteine kodieren, sondern dass die Zellen aufgrund epigenetischer Informationen diese gefährlichen Proteine gar nicht exprimieren bzw. nicht produzieren. Dieser Code ist überall um uns herum in der Umwelt, aber er wird nicht exprimiert, weil er auf epigenetische Weise blockiert ist. Das ist der Grund, warum die Sequenzierung nicht in jedem Fall anwendbar ist.
00:25:01:24 - 00:25:21:02
Abigail Acton
Ich verstehe. Bei der Sequenzierung könnte etwas eingefangen werden, das ohnehin um uns herum existiert. Und gar kein Problem darstellt. Und der Nachweis stiftet aber Verwirrung rund um das Endergebnis, weil die Ersthilfekräfte dann nicht wissen, was genau ihnen da gemeldet wird. Ja, ich verstehe, was Sie meinen. Okay. Auf welche Weise kam denn HoloZcan ins Spiel, um bei all diesen Dingen Abhilfe zu schaffen? Und wie wurde dabei KI eingesetzt?
00:25:21:04 - 00:25:55:18
Béla Mihalik
Bei HoloZcan steht mikroskopische Technologie beziehungsweise holografische mikroskopische Technologie unter Einsatz von Holografie im Mittelpunkt, und das ist eine gute Frage, denn es geht um Selbstkalibrierbarkeit. Es handelt sich um einen Satz kalibrierter, selbstkalibrierter Bilder. Das bedeutet, wir können das Bild numerisch analysieren, um daraus unter verschiedenen Bedingungen Bildwerte zu gewinnen. Und die Holografie bietet eine sehr stabile Basis für diese numerischen Analysen.
00:25:55:20 - 00:26:30:14
Béla Mihalik
Auf diese Weise können wir genaue morphologische Eigenschaften und weitere optische Eigenschaften wie etwa Spektralinformationen erkennen. Und auch refraktive Informationen über kleine Objekte werden zugänglich sowie eine breite Palette an Informationen. Wir können sogar die Teilchen, zwar nicht identifizieren, aber klassifizieren. Außerdem können wir die komplexen Morphologien in der Probe und um die Objekte herum sehen.
00:26:30:18 - 00:26:52:00
Béla Mihalik
Und dann können wir aus dieser morphologischen Komplexität mithilfe künstlicher Intelligenz herausfinden, worin die Situation besteht. Ist sie möglicherweise beabsichtigt? Ist es eine vom Menschen geschaffene Situation, oder es ist eine die Umwelt betreffende Situation? KI kann somit sehr dabei helfen, die wahre Quelle zu identifizieren.
00:26:52:02 - 00:27:21:22
Abigail Acton
Okay. Fantastisch. Anstatt winzige Proben zu nehmen, um zu versuchen, das Material zu identifizieren, haben Sie ein System entwickelt, das genau genommen das Material visualisiert. Und anhand dieser Visualisierung stellt die KI dann irgendwie über das Aussehen der Probe oder der Elemente in der Probe einen Querverweis her. Und dann erfolgt ein Querverweis auf eine andere Art von Datenbank mit ähnlichen Bildern und eine Entscheidung darüber, was es ist oder was als nächstes tatsächlich geschehen muss?
00:27:21:22 - 00:27:22:07
Abigail Acton
Verstehe.
00:27:22:11 - 00:27:52:06
Béla Mihalik
Ja, da gibt es viele Ansätze. Zuallererst nutzen wir natürlich Laborproben, sehr saubere Proben, von Bakterien und anderen Krankheitserregern. Und wir haben eine Datenbank erstellt und trainierten die künstliche Intelligenz, damit sie diese verschiedenen Bakterientypen erkennt. Bei Laborproben funktioniert es bereits sehr gut. Wir können sehen, dass es zu mehr als 99 % genau funktioniert.
00:27:52:10 - 00:28:01:01
Abigail Acton
Ich glaube, Sie sagten etwas von der Erzeugung von 70 000 synthetischen Hologrammen. Das spiegelt tatsächlich echte biologische Dimensionen von Teilchen wider. 70 000. Das ist eine enorme Zahl.
00:28:01:03 - 00:28:27:16
Béla Mihalik
Auf alle Fälle. Wir entwickelten ein Simulationswerkzeug, weil wir im Labor nicht alle Proben abdecken konnten. Es gibt einige sehr gefährliche Erreger der biologischen Schutzstufe 4, das heißt, dass diese tödlich sind. Und diese sind nicht heilbar, deshalb dürfen wir nicht mit dieser Art von Material umgehen. Wir erstellten also simulierte Proben, wie das aussehen könnte.
00:28:27:18 - 00:28:48:18
Béla Mihalik
Wir konnten außerdem den Typ von Objekten erschaffen, die wir niemals messen können, jedoch für einen bestimmten Zeitraum. Wie es aber in der Realität eintreten kann. Wir nutzen die Simulation oder diese digitalen Zwillinge, um den Trainingsbereich der künstlichen Intelligenz zu erweitern.
00:28:48:23 - 00:28:52:18
Abigail Acton
Es handelt sich im Grunde um synthetische Hologramme, quasi eine Referenzbibliothek?
00:28:52:20 - 00:28:53:23
Béla Mihalik
Auf alle Fälle. Genau so ist es.
00:28:54:03 - 00:29:09:06
Abigail Acton
Großartig. Eine Ersteinsatzkraft nimmt dann dieses Gerät mit in eine Situation, in der irgendeine biologische Bedrohung vermutet wird, und nimmt eine Luft- oder Bodenprobe, die in eine Dose gegeben wird? Oder wie funktioniert das?
00:29:09:08 - 00:29:20:18
Béla Mihalik
Tatsächlich geht es hauptsächlich um luftübertragene Krankheitserreger. Wir verwenden Luftprobensammler, Luftprobensammler nach dem Coriolisprinzip, und auch Impaktoren.
00:29:20:18 - 00:29:22:04
Abigail Acton
Was ist ein Impaktor?
00:29:22:06 - 00:29:45:10
Jane Ohlmeyer
Ein Impaktor ist ein Gerät, bei dem mit Ventilatoren ein Luftstrom erzeugt und ein Hindernis in den Luftstrom gestellt wird, an dem die kleinen Objekte haften bleiben. Diese werden dann aufgefangen, beispielsweise auf einem mikroskopischen Objektträger, und direkt unter dem Mikroskop analysiert.
00:29:45:14 - 00:29:48:03
Abigail Acton
Und das kann vor Ort in Echtzeit erfolgen?
00:29:48:07 - 00:29:57:00
Béla Mihalik
Ja, das kann in einer realen Situation und in Echtzeit realisiert werden. Außerdem können wir einen Impaktor und das Mikroskop miteinander integrieren.
00:29:57:04 - 00:30:07:12
Abigail Acton
Ich verstehe. Man kann dann im Prinzip Daten vor Ort sammeln, anhand derer die Ersthilfekräfte sofort erkennen können, was das Gebiet kontaminiert hat. Ist das korrekt?
00:30:07:14 - 00:30:24:14
Béla Mihalik
Auf alle Fälle. Das ist korrekt. Und wir können die Zusammensetzung der Luft analysieren, was für die Ersteinsatzkräfte die wichtigste Information überhaupt darstellt. Aus dieser Zusammensetzung können wir schließen: Handelt es sich um eine echte Bedrohung? Es kann sich um eine reale Bedrohung, aber auch um eine Umweltveränderung handeln.
00:30:24:16 - 00:30:37:21
Abigail Acton
Okay, und das ist wunderbar. Somit werden all diese falsch-positiven Ergebnisse, die Chaos verursachen können, ausgeschlossen. Denn eigentlich lauert dort gar nichts Gefährliches. Und so weiter. Super. Das ist ausgezeichnet. Ich danke Ihnen vielmals. Danke, Béla. Sehr gut erklärt. John, Sie haben eine Frage an Béla?
00:30:37:23 - 00:31:04:24
John Kelleher
Ich denke ja, denn bin ich von dieser Arbeit wirklich fasziniert. Ich interessiere mich sehr für den Aspekt dieser synthetischen Daten. In meiner eigenen Arbeit und im Gesundheitswesen verwenden wir häufig synthetische Daten, um die Privatsphäre der Menschen zu schützen. Aber hier sehe ich, dass Sie synthetische Daten einsetzen, weil der Umgang mit realen Daten zu gefährlich wäre. Dabei habe ich mich gefragt, ob die Tatsache, dass Sie bei der Erzeugung eines Systems zur Datensynthese auf Herausforderungen stoßen, nicht dazu führt, dass Sie die echten Daten überhaupt nicht verarbeiten können.
00:31:05:01 - 00:31:18:08
John Kelleher
Ich verstehe, dass wir in der Gesundheitsversorgung eine Stichprobe der Patientendaten hernehmen und diese synthetisieren können, um die Privatsphäre zu schützen. Aber ich nehme an, dass bei Ihrer Arbeit weitaus mehr Herausforderungen zu bewältigen sind, um ein gutes Synthesesystem zu erschaffen.
00:31:18:10 - 00:31:47:21
Béla Mihalik
Auf alle Fälle. Das stellt, wie Sie es schon sagten, eine echte Herausforderung dar. Zunächst mussten wir die Lichtausbreitung auf mikroskopischer Ebene und die Hologramme berechnen. Das bedeutet, dass wir Interferenzen berechnen müssen. Und das bedeutet, dass wir verschiedene Arten von mathematischen Modellen einsetzen. Ein Typ von mathematischem Modell ist die schrittweise FDDD-Simulation.
00:31:47:21 - 00:32:16:00
Béla Mihalik
Und dann gibt es noch die analytische Seite. Dann werden einige physikalische Regeln genutzt, anhand derer Bildebenen als Dateninformationen behandelt und Ebene für Ebene weitergegeben werden. Somit verwenden wir verschiedene mathematische Methoden und vergleichen sie miteinander. Es war einerseits mit Schwierigkeiten verbunden, ein Modell zu erstellen, und auch damit, es mithilfe verschiedener Simulationen und der Realität zu validieren.
00:32:16:02 - 00:32:20:02
Béla Mihalik
Das war die größte Herausforderung, denke ich.
00:32:20:04 - 00:32:44:10
Abigail Acton
Sehen Sie, nur jemand, der KI für seine eigene Arbeit nutzt, kann überhaupt erkennen, dass es ganz sicher kein einfaches Unterfangen war. Vielen Dank, John. Ja, das war eine sehr berechtigte Frage. Und vielen Dank auch an Sie, Béla. Fantastisch. Vielen Dank Ihnen allen. Das war wirklich faszinierend. Und es ist so gut, von der Anwendung der KI auf eine Art und Weise zu hören, bei der das Gefühl überwiegt, dass sie zu unserem Wohlergehen beiträgt, und nicht als eine Art beängstigendes Ding erscheint, das uns bald allen unsere Arbeitsplätze wegnehmen wird.
00:32:44:10 - 00:32:49:06
Abigail Acton
Vielen Dank an Sie alle, dass Sie heute hier bei mir dabei waren. Es war sehr, sehr interessant.
00:32:49:08 - 00:32:53:06
John Kelleher
Auf Wiedersehen, Abigail. Béla, Jane, es war mir ein Vergnügen, mit Ihnen allen zu sprechen. Das war wirklich eine Freude.
00:32:53:10 - 00:32:56:05
Jane Ohlmeyer
Es war mir ein großes Vergnügen. Ich danke Ihnen für die Einladung.
00:32:56:07 - 00:32:57:17
Béla Mihalik
Vielen Dank. Danke. Dankeschön.
00:32:57:18 - 00:33:18:01
Abigail Acton
Vielen Dank, dass Sie sich uns angeschlossen haben. Auf Wiedersehen. Wenn Ihnen dieser Podcast gefallen hat, folgen Sie uns auf Spotify und Apple Podcasts – oder wo auch immer Sie Ihre Podcasts streamen –, und besuchen Sie die Podcast-Homepage auf der CORDIS-Website. Melden Sie sich an, damit Ihnen die spannendsten Forschungsergebnisse der EU-finanzierten Wissenschaft nicht entgehen. Und wenn Ihnen das Zuhören Freude bereitet hat, dann erzählen Sie es doch bitte weiter.
00:33:18:03 - 00:33:38:03
Abigail Acton
Wir haben über die größte Virensammlung der Welt gesprochen, über den Einsatz von virtueller Realität bei der Konfliktlösung und darüber, dass Grillen in absehbarer Zeit das Rindfleisch in Ihrem Burger ersetzen werden. In unseren 51 Folgen wird etwas dabei sein, das Ihre Neugierde weckt. Seien Sie willkommen und entdecken Sie die Forschung, die offenbart, wie unsere Welt tickt. Wir freuen uns stets darauf, von Ihnen zu hören.
00:33:38:07 - 00:33:47:20
Abigail Acton
Schreiben Sie uns eine Nachricht an editorial@cordis.europa.eu. Bis zum nächsten Mal.
KI ist eine riesige Sache, aber dabei scheint gewaltig „gut“ oder gewaltig „schlecht“ zur Debatte zu stehen
Künstliche Intelligenz: Steuern wir auf eine düstere dystopische Zukunft zu oder auf eine, in der Arbeitskräfte von niederen Aufgaben entlastet werden? Maschinelles Lernen lässt uns nachdenken: Vereinfacht es unser Leben oder ist es übergriffig? Konzerne sammeln massenhaft Inhalte, um große Sprachmodelle zu trainieren, und zwar auf eine für die Nutzenden schwer zu kontrollierende Weise. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass KI und die damit verbundenen Werkzeuge die Grenzen der Forschung verschieben. Heute werden wir zumindest in Bezug auf unsere drei Projekte, die alle in den Genuss von EU-Finanzierung aus dem Bereich Forschung und Innovation kamen, etwas Klarheit schaffen. Unsere drei Gäste nutzen diese Instrumente, um neue Technologien zu entwickeln und Entdeckungen zu machen, die zuvor schlicht unmöglich gewesen wären. Wir gehen der Frage nach, wie KI die Grenzen des Wissens erweitert, um Prävention, Behandlung und Rehabilitation bei Schlaganfallbetroffenen zu verbessern, den bisher ungehörten Frauen im historischen Irland eine Stimme zu geben und ein kleines, leistungsfähiges System zur Erkennung von biologischen Bedrohungen zu entwickeln, das Leben retten kann. John Kelleher(öffnet in neuem Fenster) ist Direktor des ADAPT Research Ireland Centre for AI-Driven Digital Content Technology und Informatikprofessor am Trinity College Dublin. Sein Fokus liegt auf der Nutzung von KI zur Erweiterung des Verständnisses und der Behandlung komplexer Krankheitsbilder. John koordinierte das Projekt STRATIF-AI. Jane Ohlmeyer(öffnet in neuem Fenster), Professorin für Neue Geschichte am Trinity College Dublin und Vorsitzende des Irish Research Council, ist Expertin für Neue Britische und Atlantische Geschichte. Sie wendet KI an, um die Lebenserfahrungen von „gewöhnlichen“, nicht den Eliten zuzurechnenden Frauen im frühneuzeitlichen Irland zu rekonstruieren, die sie im Rahmen des Projekts VOICES erforscht hat. Béla Mihalik(öffnet in neuem Fenster) ist leitender Entwickler bei Ideas Science(öffnet in neuem Fenster) in Ungarn. Er ist auf die Anwendung von KI und Deep Learning zur Entwicklung neuartiger Werkzeuge spezialisiert, die potenzielle biologische Bedrohungen in Form von Krankheitserregern und Bakterien schnell erkennen können. Innerhalb des Projekts HoloZcan wurde eine Technologie zur Unterstützung von Ersteinsatzkräften entwickelt.
Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören!
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