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Feature Stories - Lebenslanges Lernen: maßgeschneidert für Jedermann

Technologiegestütztes lebenslanges Lernen, automatisch angepasst an die Bedürfnisse des Lernenden, ist dank der Arbeit EU-finanzierter Forscher nun in greifbare Nähe gerückt. Sie entwickelten eine adaptive Lernplattform, die dem Lernenden durch Schulzeit, Studium und Karriere und sogar dann, wenn ein neues Hobby begonnen wird, folgen kann. Der rasch anwachsende, mehrere Milliarden Euro schwere E-Learning-Sektor erhält hier eine Auffrischungsimpfung der besonderen Art, die die Branche in ein neues Zeitalter katapultieren wird.

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Das EU-finanzierte GRAPPLE-Projekt ("Generic responsive adaptive personalised learning environment") erarbeitete ein System, das sich einzig und allein auf die Lernunterstützung konzentriert, und das Ziel hat, den Menschen den Erwerb neuen Wissens und neuer Fähigkeiten zu erleichtern. Dank GRAPPLE können Schüler und Studenten die ihnen zur Verfügung stehende Zeit mit Hilfe von Kursen maximal ausnutzen, die ihren Stärken und Schwächen entsprechend maßgeschneidert sind. Diese Art eines Systems hat enorme Vorteile und das Potenzial, schon in der nahen Zukunft das Lernen deutlich zu bereichern. Man stelle sich nur einen Kurs vor, der wirklich an den Einzelnen angepasst ist, bei dem bereits erarbeitetes Material übersprungen wird und Nachhilfe für die Bereiche angeboten wird, in denen der oder die Betreffende Schwächen hat. In einer Lektion könnte für den einen Studenten die Terminologie hervorgehoben und definiert werden und für einen anderen aber nicht, je nachdem, ob jemand bereits mit dem Thema vertraut ist. Moderne Tools für adaptives lebenslanges Lernen könnten eines Tages Kurse empfehlen, die an vorhergehende Erfahrungen eines Nutzers anknüpfen, um Studentinnen und Studenten für ein anerkanntes Diplom oder einen akademischen Grad zu qualifizieren. Auf diese Weise können die Lernenden das Beste aus ihrer Sachkenntnis machen. Kern des Ganzen ist ein Lernen, bei dem die Studenten ihre Ausbildung an ihren Interessen und Prioritäten ausrichten, anstelle der lehrerzentrierten Ansätze, bei denen die Studenten durch linear verlaufende Lektionen mitgenommen werden - unabhängig von ihren Bedürfnissen oder Wünschen. Aus diesem Grund neigt man in der E-Learning-Branche dazu, Nutzer als Lernende oder aktive Teilnehmer, die in jeder Phase ihres Lebens studieren, und nicht schlichtweg als Schüler anzusprechen. Ein neuer Aufbruch für Lernmanagementsysteme (Learning Management Systems, LMS): "Derzeit sorgt ein LMS-System technisch für Dinge wie Anweisungen, Tests, Bewertungen und den Zugriff auf Ressourcen, beispielsweise Kursmaterial, Folien und andere Informationen. Es bietet dem Studenten lediglich diese Ressourcen als Dateien an. Es ist keine echte Hilfe dabei, wie man tatsächlich an das Material herangehen sollte", erklärt Professor Paul De Bra, GRAPPLE-Projektkoordinator aus dem Fachbereich Mathematik und Informatik an der Technischen Universität Eindhoven in den Niederlanden. Das Projekt erhielt von der EU fast 4 Mio. EUR - und das bei einem Gesamtbudget in Höhe von 5,3 Mio. EUR. "LMS-Plattformen bieten großartige Möglichkeiten, um den Prozess des Lernens zu managen und die Verwaltung in den Griff zu bekommen; derzeit allerdings findet man auf LMS-Plattformen keine Tools, die das eigentliche Lernen unterstützen, um den Studenten ein leichteres und produktiveres Lernen zu ermöglichen. Sie unterstützen lediglich den Prozess - aber nicht das Lernen", erläutert der Fachmann. "Hier kommt GRAPPLE zum Zuge, da wir eine Umgebung geschaffen haben, in der man einen adaptiven Lektionstext anklicken kann, den man dann Seite für Seite durchgeht und vor einem Auswahlmenü steht. Das System kann Empfehlungen auf Basis bisheriger Lernerfahrungen anbieten, es kann neue Themen empfehlen oder vorschlagen, dass andere Themen ausgelassen werden, und es verfolgt sozusagen die Spuren des Lernfortschritts." Prof. De Bra zufolge funktioniert die Plattform als eingebettete adaptive Lernumgebung innerhalb bestehender LMS-Plattformen. Sie sei derart konzipiert, dass sie leicht von einer Plattform zur anderen portierbar sei und der GRAPPLE-Code basiere auf Open Source, was es den LMS-Anbietern gestatte, ihn an die jeweiligen Bedürfnisse anzupassen. Es gibt mehrere Wege, eine GRAPPLE-Lektion zu absolvieren. Das System bietet Anleitung und es gibt viele Links, denen die Lernenden auf eigene Initiative folgen können. "Es handelt sich um eine echte Ergänzung zu dem, was ein Lernmanagementsystem zu bieten hat", betont Prof. De Bra. Von echter Neugier vorangetriebenes Lernen Die Initiative und die gesunde Neugier des Lernenden werden innerhalb des GRAPPLE-Systems ausgenutzt, um die Bildungserfahrung aufzuwerten. Verständlicherweise wird ein Studium wesentlich interessanter, wenn der Student eigenen Interessen folgen kann. Das vielleicht ehrgeizigste Ziel der von GRAPPLE verfolgten Vision ist ein System, das den Lernenden durch ihr Leben hindurch folgt - in der Schule, am Arbeitsplatz sowie bei Hobbys und anderen Freizeitbeschäftigungen. Und es soll den Überblick über erworbene Fähigkeiten und erarbeitetes Wissen behalten. Erreicht ein Nutzer in der Bewertung des Stoffs zu einem Thema beispielsweise 70 oder 80%, so wird ihm das System keine zukünftigen Lektionen empfehlen, die diese Fertigkeiten verlangen. Erzielt der Student aber nur 50% oder weniger, könnte ihm in Zukunft Förderkursmaterial nahegelegt werden. Die EU-finanzierten Forscher entwickelten eine integrierte Plattform, die all diese Funktionalitäten nun möglich macht. Ein "Event-Bus" koordiniert sämtliche Backend-Aktivitäten der Plattform mit Ausnahme des Einmalanmeldeverfahrens, das mittels Shibboleth, eines leistungsfähigen, weltweit anerkannten Systems abgewickelt wird. E-Learning-Autoren steht das "GRAPPLE-Authoring-Tool" (GAT) zu Verfügung, um adaptive Inhalte und Kurse zu erstellen. GALE, die "GRAPPLE-Adaptive-Learning-Environment" bietet den Rahmen zur Durchführung von Kursen, während GUMF, der "GRAPPLE-User-Model-Framework" alle Informationen verwaltet, die über den Lernenden bekannt sind. Die Systemarchitektur ist besonders elegant, da sie die logischen Funktionen des Lernmanagements, der Bereitstellung von Inhalten, der Erstellung von Inhalten, der Nutzeridentität und der Nutzermodellierung voneinander trennt. So eignet sie sich zur Übernahme spezifischer Elemente auf modulare Weise. Prof. De Bra erwägt beispielsweise, dass bei zukünftigen Versionen der GRAPPLE-Technologie Shibboleth durch die Anwendung des OpenID-Standards, der in sozialen Netzwerken eingesetzt wird, ersetzt werden könnte. Und viele Lernende verfügen bereits über eine OpenID. Die GRAPPLE-Architektur ermöglicht außerdem die weitere Arbeit an einzelnen Elementen, ohne dass das gesamte System neu erfunden werden müsste. Prof. De Bra nennt hier GAT als ein Beispiel. Seiner Meinung nach vereinfache GAT zwar das Verfassen von Kursen und Lektionen; es sei aber keinesfalls so einfach, wie es sein könnte. "Für die Autoren ist es wirklich schwierig, von der Erstellung linear verlaufender Kurse, in denen den Studenten etwas gelehrt wird, zum adaptiven Lernen zu wechseln, bei dem sich die Nutzer dem selbstständigen Studium widmen", stellt De Bra fest. "Das große Thema ist die Entscheidung über die Anpassungsregeln: Unter welchen Umständen und auf welcher Weise sollte das Material angepasst werden?" Hier hat der Prozess einen Engpass, aber schon die Ermittlung dieser Engstelle sei ein riesiger Fortschritt. Nach De Bras Angaben wird an der Erstellung von Anpassungsregeln innerhalb anderer Kontexte weitergearbeitet. Ziele erreichen GRAPPLE konnte seine Ziele erreichen und erhielt positive Einschätzungen seiner Forschungsarbeit. Die Plattform wurde in einer Vielzahl von Umgebungen getestet, sowohl im Ganzen als auch mit einzelnen Komponenten. Am Trinity College Dublin wurden adaptive simulierte Gespräche entsprechend den Antworten des Studenten als Teil eines Psychotherapiekurses eingesetzt. In Deutschland nutzte der Projektpartner Information Multimedia Communication (IMC) die Resultate, um Büroangestellte in der Befähigung zu Vorstellungsgesprächen und zum Selbstmanagement zu unterrichten. In Eindhoven, Niederlande, kam das System zum Einsatz, um etwas zum Thema querverweisende Medien (Hypermedia) und auch über GRAPPLE an sich zu lernen. Alle GRAPPLE-Partner nutzten verschiedenen Themen, um Experimente durchzuführen. Die Studenten aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichem sprachlichem Hintergrund waren ausnahmslos begeistert von der Plattform sowie auch der Art der Kurse. In der Tat ein sehr vielversprechender Anfang, aber es ist eben nur der Beginn: Jetzt wird die Arbeit sowohl bei den einzelnen Partnerunternehmen als auch in Folgeprojekten fortgesetzt. Die GRAPPLE-Ideen und die Anwendung einiger Komponenten werden in neue EU-Forschungsprojekte übernommen, so beispielsweise in das ImREAL-Projekt ("Immersive reflective experience-based adaptive learning"), ein mit 3,22 Mio. EUR von der EU finanziertes kooperatives Forschungsvorhaben. Die GRAPPLE-Plattform hätte zu keinem besseren Zeitpunkt für Europa auftauchen können: E-Learning ist ein gewaltiges Geschäft, das 2010 weltweit einen Marktwert von 40 Mrd. EUR innehatte. Global Industry Analysts zufolge wächst der Markt jährlich um ca. rasante 20%. Europa liegt hinter den USA zurück, aber mit dem Ersinnen von Technologien wie der GRAPPLE-Plattform wird die Alte Welt schon bald der Neuen ein paar Tricks lehren können. Das GRAPPLE-Projekt erhielt Forschungsmittel über das Unterprogramm "Digital libraries and technology-enhanced learning" des IKT-Haushaltsbereichs des Siebten EU-Rahmenprogramms für Forschung (RP7). Nützliche Links: - 'Generic responsive adaptive personalised learning environment' project website - GRAPPLE-Projektdatensatz auf CORDIS - 'Immersive reflective experience-based adaptive learning' project website - ImREAL-Projektdatensatz auf CORDIS Weiterführende Artikel: - EU-finanzierte Forscher rücken das Wohlergehen von Kleinkindern in den Mittelpunkt - Re-learning how to help professionals share their practice - Digital teaching aids make maths fun