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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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Feature Stories - Von Natur aus Familienmensch? Moderne Informations- und Kommunikationstechnik im Dienste der zwischenmenschlichen Beziehungen

Vom Mobiltelefon bis hin zum sozialen Netzwerken: Moderne Technologie ist stets eine Hilfe, wenn es darum geht, vom geografischen Standort her getrennte Menschen näher zusammenzubringen. Die meisten Anwendungen sind allerdings eher für einzelne Personen ausgelegt, und nicht so recht für Gruppen oder Familien geeignet. Die EU-finanzierte Forschung widmet sich nun dieser Frage und arbeitet an innovativen Tools, die speziell zur Förderung der Kommunikation und des Miteinanders innerhalb von Familien entwickelt wurden, das so natürlich wie nur möglich ablaufen soll, selbst wenn die einzelnen Personen hunderte oder gar tausende Kilometer voneinander getrennt sind.

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"Es gibt schon eine Menge Technik, die den Menschen hilft, miteinander zu kommunizieren - sei es nun einfach ein Telefonanruf oder auch eine Videokonferenzschaltung. Was aber noch fehlt, sind Anwendungen, die es Menschengruppen ermöglichen, an verschiedenen Orten auf eine natürliche Weise zu kommunizieren und zu interagieren", gibt Dr. Doug Williams zu bedenken, seines Zeichens Leiter von Forschungsprojekten im Bereich Breitband bei BT im Vereinigten Königreich. Diese Lücke wird nun bald durch die im Rahmen des TA2-Projekts ("Together anywhere, together anytime") entwickelten Anwendungen gefüllt. Die im Projekt favorisierte Lösung kombiniert hochmoderne künstliche Intelligenz (KI) mit Umgebungsintelligenz, Multimedia-Tools sowie Audio- und Videoaufnahmen, -kodierung, -bearbeitung und -übertragung, um eine nahezu natürlich ablaufende Interaktion und Kommunikation zwischen einander fernen Menschengruppen zu ermöglichen. Verbesserte Audiosignale, automatisierte Mehrfachkamerabearbeitung, Onlinespielmöglichkeiten und Signale, welche die "Verfügbarkeit" anzeigen, wurden zu einem neuen Systemtyp vereint, mit dessen Hilfe die Kommunikation einfach zu beginnen und intuitiv zu bedienen ist. Man wollte hier versuchen, ein ähnliches Gefühl zu erzeugen, als ob sich die Familienmitglieder miteinander im gleichen Zimmer aufhalten. Einer der Hauptunterschiede zwischen dem innerhalb von TA2 verfolgten Ansatz und einer Videokonferenzschaltung, wie sie im geschäftlichen Umfeld zum Einsatz kommt, besteht darin, dass sich die Forscher darum bemüht haben, Kommunikation und familiäres Miteinander so natürlich wie nur möglich erscheinen zu lassen. Die Forscher und Entwickler der 14 Partner aus Industrie und Hochschule in acht Ländern gingen - unterstützt mit 12,8 Mio. EUR Finanzmitteln von der Europäischen Kommission - direkt der Frage nach, welche Technik helfen kann, Beziehungen innerhalb von Menschengruppen zu pflegen. Das System, bei dem mehrere mit dem Internet verbundene Kameras sowie im Wohnzimmer eines Einfamilienhauses installierte Mikrofone und Lautsprecher zum Einsatz kommen, geht dabei gleich mehrere Schritte weiter als Standard-Videokonferenzen, indem es verschiedenen Gruppen von Menschen an zwei, drei oder noch mehr Standorten ermöglicht wird, miteinander zu interagieren und Spaß mit gemeinsamen Anwendungen zu haben. Auf künstliche Intelligenz gestützte Analysen der Aktivitäten an jedem einzelnen Standort und eine KI-Engine entscheiden darüber, wie das Geschehen am besten darzustellen ist, wählen die optimale Kamera und die bestgeeigneten Kamerawinkel aus, liefern in Gesprächspausen Weitwinkelaufnahmen oder konzentrieren sich auf spezielle Ereignisse. Im Prinzip spielt dieser mittels künstlicher Intelligenz gesteuerte "virtuelle Regisseur" die Rolle des echten Kameramanns oder Regisseurs bei Fernseh- oder Kinoproduktionen. Eine gemeinsam von BT und dem niederländischen Projektpartner CWI entwickelte "visuelle Zusammensetzungsmaschine" übernimmt die Videodekodierung, die Zusammenstellung und das Rendering, so dass das System nahtlos zwischen bis zu fünf gleichzeitigen HD-Videostreams hin- und herschalten kann. "Das System zu verwenden ist ein bisschen so, als ob man einen Film oder eine Fernsehtalkshow anschaut - mit der Ausnahme, dass die auf dem Bildschirm agierenden Personen auf den Betrachter und andere in Echtzeit reagieren", erläutert Dr. Williams, technischer Leiter des TA2-Projekts. "Zwei Familien können es ganz einfach nutzen, um miteinander zu reden und einander auf den neuesten Stand zu bringen, oder sie können mit Hilfe von Multimedia-Tools gemeinsam Fotos und Videos anschauen oder Spiele spielen." "Und hierbei darf man niemals den Effekt einer Tonübertragung unterschätzen", fügt er hinzu. "Bei TA2 verwenden wir eine 'Audiokommunikationsmaschine' (Fraunhofer Audio CommunicationEngine), die Fraunhofer IIS entwickelt hat: Es liefert eine volle HD-Tonqualität für die Stimmen und erfasst alle hörbaren Frequenzen. Im Vergleich dazu fängt ein normales Telefon nur etwa ein Viertel der Frequenzen ein, die wir hören können. Und da wir die Geräuschkulisse mit mehr als nur einem Mikrofon aufnehmen, sind wir auch weitaus besser in der Lage, das Schallfeld bis in die entfernteren Ecken zu reproduzieren. All dies hilft, Interaktionen einfacher, natürlicher zu machen und - was ein zusätzlicher Bonus ist - aufgrund der sogenannten 'multimodalen Effekte' führt die bessere Tonqualität außerdem dazu, dass die Leute glauben, auch die Bildqualität sei besser." Spaß, Spiele und E-Learning Digitale Versionen traditioneller Familiespiele wie Memory, Mensch ärgere dich nicht oder von Ratespielen wie Pictionary (im Deutschen bekannt als "Die Montagsmaler") können über das TA2-System auch zwischen getrennten Familien gespielt werden. Eltern oder Großeltern können es bei Abwesenheit von Zuhause nutzen, um den Kindern oder Enkeln über Tablet-Computer Gutenachtgeschichten vorzulesen. "In der realen Welt hocken die Leute meistens bei irgendeiner Art von Aktivität, sei es Mittag- oder Abendessen, Filmgucken, Urlaubsfotos zeigen oder Spielespielen zusammen und so versuchen wir, diese Art der natürlichen Interaktion in unserem System widerzuspiegeln", verdeutlicht Dr. Williams. "Kommuniziert und interagiert man über das TA2-System, so macht das alles Spaß und alles hat seinen Sinn. Aber eine Sache, mit der wir wirklich zu kämpfen hatten, ist, auf welche Weise denn ein solches Miteinander beginnen sollte. Wie soll jemanden wissen, wann Freunde oder Familie miteinander Kontakt aufnehmen und interagieren wollen?" Zur Lösung dieses Problems bauten die TA2-Forscher Umgebungsintelligenz ein: Sie nutzten Sensoren und ein System von farbigen Lichtern, um Freunde und Familienmitglieder auf subtile Weise wissen zu lassen, wann die Einzelnen verfügbar sind, während gleichzeitig die Privatsphäre der Nutzer geschützt wird. Eine weitere von den Forschern entwickelte TA2-Anwendung konzentriert sich auf den Einsatz der Technologie, um ein Musikinstrument spielen zu lernen, obgleich es ebenso zum Erlernen weiterer Fähigkeiten, die sowohl visuelle und akustische Kommunikation erfordern, verwendet werden kann. "Viele Komponenten des Systems sind bereits kommerziell erhältlich; wir haben lediglich viele von ihnen für unsere Zwecke passend verbessert und angepasst", erläutert Dr. Williams. Die TA2-Forscher betrieben Langzeitversuche in Wohnungen von Nutzern in Schweden, an einer Musikschule im Vereinigten Königreich und spielten außerdem zahlreiche Labortests in speziell bei den Projektpartnern in Belgien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich aufgebauten "Wohnzimmern" durch. Sie führten außerdem eine Umfrage durch, in der sie mehr als 2.000 Personen dazu befragten, auf welche Weise sie ihrer Meinung nach die neue Technologie (und insbesondere Tablet-Computer) als Teil eines Videokommunikationssystems zu Hause verwenden würden. "Die Nutzer konnten sich wirklich mit der Idee anfreunden, einem Kind eine Geschichte vorzulesen oder gelegentlich zusammen mit einem Freund Fotos anzuschauen, während sich alle Beteiligten mit Hilfe eines guten Audio-Video-Links gegenseitig sehen und hören können", berichtet Dr. Williams. "Wie es meistens jedoch bei neuen Technologien so ist - es ist nicht völlig klar, wie es ankommt, wenn es auf dem Markt ist." Außerdem sieht Dr. Williams auch die Chance, dass eine TV-Produktionsfirma das System oder Teile davon für eine neue Art TV-Spielshow nutzen könnte, an der Menschen von ihren Wohnungen oder von öffentlichen Bereichen wie Kneipen und Cafés aus teilnehmen können. "Ich denke, man kann sicher vorhersagen, dass diese Art von System oder etwas Ähnliches innerhalb der nächsten fünf Jahre überall auftauchen wird", zeigt sich Dr. Williams überzeugt. TA2 erhielt Forschungsgelder innerhalb des Siebten Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union (RP7). Nützliche Links: - Website "Together Anywhere, Together Anytime" - TA2-Projekt-Factsheet auf CORDIS Weiterführende Artikel: - Wie Technologie Menschen einander näher bringt