Die Koevolution von Wirtstieren und Parasiten verstehen
Die 16 zu Ecuador gehörenden Inseln zeichnen sich durch überdurchschnittlichen Artenreichtum sowie Abgeschiedenheit und Isolation aus. Dadurch bildeten sie das ideale Forschungsgebiet für Charles Darwin. Er konnte hier nachweisen, dass seine Theorien zur Evolution und zur natürlichen Selektion Gültigkeit besaßen. Mittlerweile gehören die Galapagos-Inseln zum Weltkulturerbe der UNESCO und wurden zum Biosphärenreservat erklärt. Sie sind auch heute noch ein bevorzugtes Forschungsgebiet, wenn es um die Evolution der Arten geht. EU-finanzierte Forscher untersuchten im Rahmen des Galapagos-Projekts die Koevolution der auf Floreana beheimateten, vom Aussterben bedrohten Spottdrossel und dreier Parasitenarten, die mit ihr in einer Symbiose leben. Das Projekt hatte zwei Schwerpunkte: zum Einen wurden erste Versuche unternommen, die Spottdrossel wieder anzusiedeln; zum Anderen gewannen die Wissenschaftler in einem allgemeineren Kontext Erkenntnisse darüber, inwieweit die besondere geographische Lage einzelner Inseln des Archipels die Genetik der dort vorkommenden Arten beeinflusst. Sie verwendeten die BEAST-Software zur genealogischen Rekonstruktion und brachten mit diesem neuen Ansatz die phylogenetische Entwicklung (stammesgeschichtliche Entwicklung von Organismen bzw. Teilen von Organismen wie z. B. Gene) der taxonomischen Gruppen von Wirtstieren und Parasiten (insgesamt sieben Gruppen, die für evolutionsgeschichtliche "Entfernungen" stehen) miteinander in Einklang. Alle untersuchten Arten konnten eindeutig der Insel zugeordnet werden, von der sie stammten. Außerdem wurden trotz des eindeutigen Nachweises für die Koevolution der Spottdrossel und der drei Parasitenarten gelegentlich Inkongruenzen beobachtet, die auf die Besiedlung neu entstandener Inseln des Archipels zurückgeführt wurden. Die jeweiligen genetischen Unterschiede zwischen den drei Parasitenarten sind bedingt durch unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten, die unterschiedliche Mobilität der Parasiten und unterschiedliche Lebensstrategien. Das Ergebnis, dass die Größe des Genpools der Populationen, der Wirtstiere in direktem Zusammenhang mit der Geografie der Inseln stehen, unterstützte die Hypothese, dass sowohl die Populationen der Parasiten als auch die der Wirtstiere von einigen ökologischen Faktoren wie der Größe des Habitats beeinflusst werden. Daher könnten die Forscher aus den Informationen über die Parasiten Rückschlüsse über ihre Wirtstiere ziehen. Die Forschung auf den Galapagos-Inseln verbessert das Verständnis der Evolutionsfaktoren, von denen Wirt-Parasit-Populationen bei der Besiedlung neuer Habitate beeinflusst werden. Die Projektergebnisse lassen sich nicht nur allgemein anwenden, sondern sind auch von großer Bedeutung für Wiederansiedlungsprogramme der vom Aussterben bedrohten, auf Floreana beheimateten Spottdrossel.