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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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Feature Stories - Lettland, wo der innovative Fortschritt gedeiht

Lettland ist ein Land der Extreme, nicht nur in Sachen Ökonomie. Der Staat im Baltikum mit seinen 2,2 Millionen Einwohnern hatte im vergangenen Jahrzehnt Europas höchste Wirtschaftswachstumsraten und erlebte die schärfste Rezession. Man überstand dort auch die höchste Inflationsrate sowie die größte Deflation des Kontinents. Aus dieser schweren Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 ist Lettland wieder als eine der heute am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Europäischen Union hervorgegangen, was durch die Inlandsnachfrage und Exporte in andere expandierende nord- und osteuropäischen Länder gefördert wird.

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Lettland mit seiner Geschichte als nahezu einhundertprozentiges Agrarland baut schrittweise eine Hightechindustrie auf, wobei viele innovative Projekte schnelle Fortschritte in die richtige Richtung verheißen. Ein Großteil der bahnbrechenden Innovation im Lande läuft unter Leitung der Lettischen Universität (Latvijas Universitāte), die derzeit eine Vielzahl EU-finanzierter Projekte koordiniert oder an diesen teilnimmt. Eines davon ist QCS (1), das weit reichende Folgen für die Zukunft des Computers und des Rechnens haben dürfte. Das auf drei Jahre angelegte Projekt soll unter Koordination von Andris Ambainis, Professor für Physik und Mathematik, zwei Schlüsselfragen auf dem Gebiet des Quantum Computing beantworten: Welche Arten von Problemen wird ein Quantencomputer, der möglicherweise weitaus leistungsfähiger als alle heute existierenden Rechner sein wird, lösen können? Und ist es überhaupt möglich, einen zu bauen? "Bis zum Bau eines einsatzbereiten Quantencomputers ist es noch ein langer Weg, aber die Forschung zu neuen Anwendungsbereichen stellt einen wichtigen Motivationsfaktor dar", ist das QCS-Team überzeugt. "Computerspezialisten und Mathematiker prüfen neue Anwendungen und konzentrieren sich dabei insbesondere darauf, welche spezielle Aufgaben ein Quantencomputer effizienter als ein normaler Computer ausführen könnte." Die Lettische Universität arbeitet auch auf anderen Forschungsgebieten, von denen einige mehr Sofortwirkung haben. Neben dem lettischen Ministerium für Bildung und Wissenschaft nahm das Institut für Mathematik der Lettischen Universität am Projekt Osiris (2) teil, das ein koordiniertes Herangehen der europäischen Länder an Großinvestitionen in transnationale IKT-Forschungsinfrastrukturen anzielt. Osiris hat mit dem Angebot detaillierter politischer Beratung für Entscheidungsträger zu den verschiedenen Typen von Infrastrukturen und den Fragen, die bei deren Planung und Aufbau berücksichtigt werden müssen, eine bessere Koordinierung der Forschung in verschiedenen Bereichen wie dem Hochleistungsrechnen, der Nanoelektronik und dem Internet der Zukunft erreichen können. Das Geo-Seas-Projekt (3) der Fakultät für Geografie und Geowissenschaften der Lettischen Universität erweitert inzwischen den Zugang der Forscher zu Informationen über die Meere und Meeresumwelten Europas. Die Initiative, zu der 30 Organisationen in 17 Ländern gehören, bedient sich meeresgeologischer und geophysikalischer Daten und Datenprodukte nationaler geologischer Dienste und Forschungsinstitute aus ganz Europa. Ergebnis wird daher eine neue E-Infrastruktur sein, die verschiedene wissenschaftliche Ressourcen und vorhandene Infrastrukturen verbindet und den Forschern einen unkomplizierten Zugang zu einem Schatz an umwelt- und artenbezogenen sowie geografischen Daten verschafft. "Die Nutzer können aus ganz Europa stammende harmonisierte und zusammengeführte meeresgeologische und geophysikalische Datensätze und abgeleitete Datenprodukte, die von den Rechenzentren verwahrt werden, identifizieren, lokalisieren und auf diese zugreifen... Dadurch wird eine gemeinsame Infrastruktur kreiert, die sowohl ozeanografische als auch meeresgeowissenschaftliche Daten abdeckt", erläutert die stellvertretende Projektkoordinatorin Helen Glaves. Da die Wissenschaft immer mehr auf diese wirklich großen Datensammlungen zugreift, gewinnt der Zugang zu derartigen Ressourcen zunehmend an Bedeutung. Die Zukunft des Internets fest im Blick Während Schwerpunkt von Geo-Seas eine Verbesserung des Datenzugriffs über das Internet ist, besteht das Ziel eines weiteren Projekts mit lettischer Beteiligung darin, die Fundamente für ein Internet der Zukunft zu legen, in dem Dienstleistungen sowie Informationen online leicht verteilbar, zugänglich und kontrollierbar sind. Im Rahmen der Initiative Choreos (4) bringt das Institut für Socio-technical Systems Engineering der Hochschule Vidzeme (Vidzemes augstskola) sein Fachwissen über Simulation ein, um einigen der wichtigsten Herausforderungen des zukünftigen Internets aus Dienstleistungen zu begegnen. Ziel ist die Schaffung einer Softwarearchitektur, die dezentrale ULS-Softwarelösungen ("Ultra-large scale") unterstützt, die aus heterogenen Softwarediensten zusammensetzt sind. "Beispiele für diese neuen Dienste finden sich etwa im Gesundheitswesen, beim Energiesparen, in der Gebäudeautomatisierung, im Verkehr, bei der Fahrzeugnavigation, bei Flottenmanagementsystemen und in vielen weiteren Bereichen", zählt Projektleiter Hugues Vincent auf. "Stellen Sie sich vor, der Flughafen, von dem Sie abfliegen wollen, ist aufgrund schlechter Wetterverhältnisse geschlossen und Sie werden zu einem anderen Flughafen umgeleitet. Bei implementierter Choreos-Lösung wird dann in einer Dienstleistungsinfrastruktur des Future Internet eine ganze Reihe automatischer Anpassungen ausgelöst: die neue Flughafen- und Gepäckabfertigung übernimmt den Flug, neue Bordkarten werden für alle Anschlussflüge ausgegeben, Taxi- und Hotelreservierungen werden umgeplant usw. Diese Dienstleistungen, die autonom und über sämtliche Netzwerke und angeschlossenen Geräte hinweg stattfinden, werden für den Nutzer größtenteils unsichtbar sein." Die lettische Firma Tilde, eines der führenden FuE-Lokalisierungsunternehmen Europas, das auf seltenere Sprachen spezialisiert ist, arbeitet auf dem ähnlich anspruchsvollen Gebiet der maschinellen Übersetzung. Im Zuge des Accurat-Projekts (5) koordinierte Tilde ein Team von Forschern aus Deutschland, Griechenland, Kroatien, Rumänien, Slowenien und dem Vereinigten Königreich, um neue Instrumente und Methoden zur Identifizierung und Analyse vergleichbarer Textkörper (Korpora) zwischen verschiedenen Sprachpaaren und besonders für spezielle Wissensbereiche zu entwickeln, wobei es bei den Bemühen darum geht, existierende Technologien zur maschinellen Übersetzung zu verbessern. "Die Anwendbarkeit der derzeit üblichen datengesteuerten Methoden ist direkt von der Verfügbarkeit großer Mengen paralleler Korpusdaten abhängig. Aus diesem Grund schwankt die Übersetzungsqualität derzeit verfügbarer datengetriebener maschineller Übersetzungssysteme auf dramatische Weise zwischen sehr gut für Sprachenpaare mit großen zur Verfügung stehenden Korpora (z. B. Englisch und Französisch) und nahezu unbrauchbar für Sprachen mit geringen Ressourcen und enggefassten Wissensbereichen, für die nur wenige Daten verfügbar sind (z. B. Lettisch und Kroatisch)", merkt die Accurat-Forschergruppe an. Tilde nimmt außerdem am TAAS Projekt (6) teil, das den Schwerpunkt auf die Schaffung einer Cloud-basierten Plattform zur Gewinnung, Reinigung, zum Austausch und zur Wiederverwendung mehrsprachiger Terminologiedaten legt, die das Team als eine der wichtigsten Sprachressourcen für Industrie, Wissenschaft und Gesellschaft beschreibt. In diesem Projekt werden die Forscher bezeichnenderweise Technologien für alle EU-Amtssprachen entwickeln und sich dem Terminologiebedarf von menschlichen und maschinellen Nutzern widmen. Die Software des Projekts wird es den Nutzern ermöglichen, Dokumente hochzuladen, aus denen Begriffe extrahiert werden, die unter Umständen zu übersetzen sind. Die Übersetzungen dieser Begriffe werden dann mit Hilfe interner Datenbanken abgestimmt, aus externen Datenbanken gewonnen und sogar in andere Anwendungen und Datenbanken exportiert, wo sie benötigt werden. Auf diese Weise werden sich die Übersetzer zukünftig auf Software-Tools verlassen können, die auch mit Fachterminologie in Minderheitensprachen umgehen können. --- Die in diesem Artikel vorgestellten Projekte wurden innerhalb des Siebten EU-Rahmenprogramms für Forschung (RP7) gefördert. (1) QCS: Quantum Computer Science (2) Osiris: Towards an open and sustainable ICT research infrastructure strategy (3) Geo-Seas: Pan-european infrastructure for management of marine and ocean geological and geophysical data (4) Choreos: Large Scale Choreographies for the Future Internet (5) Accurat: Analysis and evaluation of comparable corpora for under resourced areas of machine translation (6) TAAS: Terminology as a Service Links zu Projekten auf CORDIS: - RP7 auf CORDIS - QCS auf CORDIS - Osiris auf CORDIS - Geo-Seas auf CORDIS - Choreos auf CORDIS - Accurat auf CORDIS - TAAS auf CORDIS Andere Links: - Website der Europäischen Kommission zur Digitalen Agenda