Historische Baukunst in neuem Licht betrachtet
Antike Hochkulturen wie die Griechen, Phönizier und Römer verfügten bereits vor Jahrtausenden über ausgefeilte Techniken der Steinbearbeitung und beeinflussten sich wechselseitig, oft auch angeregt durch die Bauweisen indigener Völker. In der nordafrikanischen Maghrebregion manifestiert sich dieses Phänomen in einem ganz bestimmten Baustil, der heute als Opus Africanum bezeichnet wird. Im Rahmen des EU-finanzierten Projekts SWORM erforschten Wissenschaftler, wie dieser Baustil im gesamten Mittelmeerraum Verbreitung fand. Die Vermutung heutiger Historiker ist, dass die Bauweise ihren Ursprung in Palästina und Syrien hat, anschließend in phönizischen Kolonien wie Karthago Verbreitung fand und noch bis in die römische Zeit hinein angewendet wurde.Zur Überprüfung dieser Theorie arbeiteten die am Projekt beteiligten Wissenschaftler daran, die Ausbreitung der Bauweise nachzuvollziehen und eingehende Forschungen zu ihrer Verwendung im antiken Marokko anzustellen. Dabei wurden verschiedene geologische, archäologische, anthropologische und wissenschaftliche Methoden angewandt, die der Dokumentation sowohl vor Ort entstandener als auch durch äußere Einflüsse geprägter Bautraditionen dienten, wobei auch Bezugspunkte zwischen den in der Maghrebregion und den im restlichen Mittelmeerraum üblichen Bauweisen hergestellt werden konnten.Dank dieser Forschungsarbeiten konnte das Projektteam drei verschiedene Verfahren der Steinbearbeitung identifizieren, wodurch ein sehr viel komplexeres Bearbeitungsmuster als bisher angenommen aufgedeckt werden konnte. So ist zum Beispiel anzunehmen, dass eine der angewandten Techniken unabhängig an mehreren Orten und zu unterschiedlichen Zeiten entwickelt wurde, wodurch die bisher angenommene Rolle Phöniziens als architektonisches Bindeglied infrage gestellt wird. Weitergehende Forschungsarbeiten zeigten auch, dass beim Bau des Kapitols von Sala nahe dem heutigen Rabat die Opus Africanum-Bauweise nicht nur aus baustatischen, sondern auch aus Kostengründen verwendet wurde.Dank der detaillierten Analyse entstand ein genaueres Bild hellenistischer, punischer, afrikanischer und römischer Bauweisen, welches zeigt, dass der einzigartige Architekturstil das gemeinsame Werk vieler in der Region beheimateter Kulturen ist. Das vertiefte Verständnis der in der Antike verwendeten Baustoffe und -weisen wird ein Impulsgeber für neue Ideen in Wissenschaft und Architekturgeschichte sein sowie zur Bewahrung des kulturellen Erbes beitragen.