Krebstherapeutika der nächsten Generation
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (Antibody drug conjugates, ADC) bestehen aus Zellgiften, die an therapeutische Antikörper gekoppelt sind. Sie haben in der Krebstherapie eine hohe Wirksamkeit unter Beweis gestellt. Der chemische Konjugationsprozess erfolgt jedoch zufällig, was zu einer Modifikation von funktionellen Teilen des Antikörpers führt und somit Stabilität, Spezifität und Gesamtstruktur des Antikörpers beeinträchtigt. Zudem erzeugt dieser Ansatz heterogene Antikörper-Wirkstoff-Konjugate mit variabler Anzahl konjugierter Toxine und somit Wirkstoffe, die aus Mischungen von ADC-Molekülen bestehen. Um die mit der ADC-Fertigung zusammenhängenden Anforderungen zu bewältigen, entwickelten und validierten die Wissenschaftler des EU-finanzierten MABTOX-Projekts zwei neuartige enzymatische Konjugationsplattformen. Insbesondere setzte man Sortaseenzyme ein, eine einzigartige Klasse von Transpeptidaseenzymen, die spezifische Aminosäuremotive erkennen und die kovalente Kopplung zwischen den Proteinen vermitteln können. Die zweite Konjugationsplattform wandte Split-Intein-Technologie an, bei der die beiden zu konjugierenden Proteindomänen an das N-Terminal- bzw. das C-Terminal-Teil eines Split-Inteins gebunden werden. Die Plattformen wurden im Zusammenhang mit der Entwicklung bereits klinisch zugelassener ADCs zur Behandlung von Leukämie, Hodgkin-Lymphom und soliden Tumoren positiv auf das Glykoprotein NMB (gpNMB) getestet. Die Wissenschaftler etablierten und optimierten den Prozess zur Konjugierung des MMAF-Toxins zu Antikörpern gegen die CD30- und gpNMB-Oberflächenmoleküle unter Einsatz von Sortaseenzymen. Der Prozess erreichte bis zu 80 % Konjugationseffizienz und ergab in ausreichenden Mengen Antikörper-Wirkstoff-Konjugate einer nächsten Generation. Die enzymatisch konjugierten ADCs wurden durch HPLC und Massenspektrometrie sorgfältig charakterisiert, um die Zugabe der Toxin-Nutzlast an der vorgesehenen Konjugationsstelle zu bestätigen, die durch die Position des Sortase-Tags bestimmt wurde. Gleichzeitig blieb der Antikörper vollständig intakt und wies das erwartete Molekulargewicht auf. In-vitro-Tests der neuen Antikörper-Wirkstoff-Konjugate wurden unter Einsatz zelltötender Assays auf Basis von als Modelle dienenden Tumorzelllinien durchgeführt. Den Ergebnissen zufolge zeigten MMAF-ADCs im Wesentlichen eine identische Antitumorwirkung gegen Hodgkin-Lymphom- und Melanomzellen, ähnlich wie Benchmark-ADCs. Zudem wurde die Antitumorwirkung über die spezifische Bindung der ADCs vermittelt. Insgesamt stellten die Aktivitäten des MABTOX-Projekts unter Beweis, dass die durch das Sortaseenzym vermittelte Antikörperkonjugationstechnik in vollem Umfang funktionsfähige Antikörper-Wirkstoff-Konjugate ergibt, womit der Ansatz für die klinische Nutzung validiert ist.
Schlüsselbegriffe
Krebs, therapeutische Antikörper, ADC, MABTOX, Sortaseenzym