CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS

Article Category

Inhalt archiviert am 2023-03-06

Article available in the following languages:

Überarbeitete EU-Gesetzgebung zum Schutz der in der Forschung verwendeten Tiere wirft Fragen auf

Die Europäische Wissenschaftsstiftung (EWS) hat die europäischen Institutionen dringend dazu aufgerufen, wichtige Punkte der vorgeschlagenen Revision der Richtlinie zur Verwendung von Tieren in der Forschung nochmals zu überdenken. Die überarbeitete Richtlinie, die Ende 2008 v...

Die Europäische Wissenschaftsstiftung (EWS) hat die europäischen Institutionen dringend dazu aufgerufen, wichtige Punkte der vorgeschlagenen Revision der Richtlinie zur Verwendung von Tieren in der Forschung nochmals zu überdenken. Die überarbeitete Richtlinie, die Ende 2008 von der Europäischen Kommission vorgelegt wurde, soll in den kommenden Wochen im Europäischen Parlament diskutiert werden. In dem Bestreben die Behandlung von in der wissenschaftlichen Forschung verwendeten Tieren EU-weit zu vereinheitlichen verabschiedete der Europäische Rat 1986 die Richtlinie 86/609/EWG zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere. Die Richtlinie legte unter anderem Mindeststandards für die Unterbringung und Pflege fest und verlangte, dass die Forscher Alternativen zu Tierversuchen anwenden sollen, sofern dies möglich ist. So unterstützte ein Teil der Richtlinie die Entwicklung alternativen Methoden zu Tierversuchen, was 1991 zur Gründung des Europäischen Zentrums zur Validierung alternativer Methoden zu Tierversuchen (ECVAM) führte. Da die in der Richtlinie enthaltenen Bestimmungen unterschiedlich ausgelegt werden können und da keine ethischen Prüfverfahren und keine obligatorische Zulassung von Versuchen ausgewiesen sind, war eine Revision der Richtlinie dringend erforderlich. Die Europäische Kommission initiierte 2002 den Prozess und gab eine vorläufige Folgenabschätzung in Auftrag. Nachfolgend führte eine technische Expertengruppe eine Überprüfung durch, das Gremium für Tiergesundheit und Tierschutz erstellte ein wissenschaftliches Gutachten und 2006 fand eine öffentliche Konsultation der Interessengruppen statt. Die Ergebnisse wurden in die vorgeschlagene Revision übernommen, die strenge Leitlinien festlegt, insbesondere was den Einsatz nicht-menschlicher Primaten in der experimentellen Forschung betrifft. Die Revision bemüht sich gleichsam um die Einbeziehung der in der wissenschaftlichen Gemeinschaft hoch geschätzten Prinzipien Reduzierung, Verfeinerung und Ersatz (im Englischen "die drei R" entsprechend den Begriffen reduction, refinement und replacement ). Die Gesetzgebung fordert die Wissenschaftler insbesondere dazu auf, vorhandene Daten nach Möglichkeit zu nutzen, um Doppelarbeit zu vermeiden. Eine Expertengruppe (EG) des Europäischen Medizinischen Forschungsrats der EWS hat jetzt ein Positionspapier zu der geplanten Revision herausgegeben, in welchem sie den Gesetzgeber auffordert, mehrere Punkte von neuem zu erwägen. Die Mitglieder der Expertengruppe betonen ihre Besorgnis im Bereich der Grundlagenforschung, bei der nicht-menschliche Primaten eine Rolle spielen, der gemeinsamen Nutzung von Daten zur Vermeidung von unnötiger Doppelarbeit und der Förderung von Reduzierung, Verfeinerung und Ersatz (der "drei R"). Der Vorschlag sieht vor, dass nicht-menschliche Primaten nicht bei Versuchen verwendet werden sollen, mit Ausnahme der, die im Hinblick auf die Vermeidung, Prävention, Diagnose oder Behandlung von lebensbedrohlichen oder schwächenden Erkrankungen des Menschen durchgeführt werden. Es heißt weiter, dass eine wissenschaftliche Begründung abgegeben werden muss, d. h., dass dem Zweck des Versuchs nicht mit dem Einsatz einer anderen Art als den nicht-menschlichen Primaten gedient ist. "Ob eine Art besonderen Schutz braucht oder nicht, sollte nicht einzig und allein an ihrer [...] Verwandtschaft zum Menschen festgemacht werden, sondern an ihrem Leidenspotenzial", so die Expertengruppe. Die Merkmale, die die Ähnlichkeit der Primaten zu den Menschen ausmachen, begründen auch deren besondere Bedeutung für die Forschung, die grundlegende Erkenntnisse in die klinische Forschung einbringt. So sind Schimpansen zum Beispiel ganz besonders wichtig für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Hepatitis C, da sie die einzigen übrigen Primaten sind, die dieser Krankheit gegenüber anfällig sind. Mit dem vollständigen Verbot der Grundlagenforschung an den großen Menschenaffen werden nach Einschätzung der Expertengruppe "zukünftig alle Perspektiven dieser Forschung in der EU beendet, mit möglicherweise katastrophalen Folgen für die Bekämpfung von Krankheiten, auf die besonders der Mensch und andere hoch entwickelte Primaten anfällig sind". "Die Expertengruppe ist fest der Ansicht, dass Artikel 8, Absatz 1 überarbeitet werden muss, um die Fortsetzung der Grundlagenforschung an nicht-menschlichen Primaten zu gestatten", so die Erklärung. Die Expertengruppe stimmt grundsätzlich zu, dass das Gesamtkonzept der gemeinsamen Nutzung von Daten für die Vermeidung unnötiger mehrfacher Durchführung von Tierversuchen von großer Bedeutung sei. In der Grundlagenforschung, wo Daten nicht validiert worden sind, könnten jedoch Probleme auftreten. In den sehr frühen Phasen der Forschung sei es wichtig, erste Erkenntnisse durch die Wiederholung bestimmter Versuche zu bestätigen. Deshalb wurden Verbesserungen der Gesetzgebung in diesem Zusammenhang empfohlen. Hinsichtlich der Umsetzung der neuen Vorschriften betonte die Gruppe die Bedeutung der Festlegung klarer und gut definierter Fristen. Sie schlug vor, dass eine Überprüfung einer vorgeschlagenen Forschungsmaßnahme auf eine Obergrenze von 90 Tagen festgelegt wird, um eine ungerechtfertigte Verzögerung durch bürokratische Prozesse zu vermeiden. Was den Bereich Reduzierung, Verfeinerung und Ersatz betrifft, so vertritt die Expertengruppe die Ansicht, dass die neue Gesetzgebung deren Bedeutung stärker hervorheben sollte. "Die wissenschaftliche Gemeinschaft nimmt ihre Verantwortung zur Entwicklung und Umsetzung aktuellen Wissens zu Reduzierung, Verfeinerung und Ersatz in Versuchen sehr ernst", teilte die Expertengruppe mit. Gegenwärtig gibt es laut Aussage der Expertengruppe nicht genügend Alternativen zum Einsatz von Primaten im Labor; dort sollte es mehr Impulse zur Entwicklung neuer Verfahren geben. "Wir hoffen, dass der innerhalb der medizinischen Forschungsgemeinschaft auf gesamteuropäischer Ebene [...] erzielte Konsens zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere beiträgt, während gleichzeitig die kontinuierliche Weiterentwicklung der medizinischen Forschung mit dem Ziel der Verbesserung [der] Gesundheit und [...] des Wohlergehens der Bürger Europas möglich ist", schließt die Erklärung. Nach Angaben der Europäischen Kommission bestehen die wichtigsten Ziele des Vorschlags in der Minimierung der Anzahl der in wissenschaftlichen Prozeduren verwendeten Tiere und einer deutlichen Verbesserung der Behandlung der Tiere, die noch immer EU-weit für Unbedenklichkeitsprüfungen und für die biomedizinische Forschung gebraucht werden. Es wird auch der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die revidierte Gesetzgebung "die Qualität der in der EU durchgeführten Forschung steigert und hohe Gesundheitsstandards für Mensch und Tier sowie im Umweltschutz gewährleistet." Der Vorschlag wird demnächst im Europäischen Parlament und im Europäischen Rat überprüft.

Verwandte Artikel