Technologie liefert neue Erkenntnisse über das vorklassische Athen
Athen und die Region Attika waren nachweislich die Geburtsstätte der Demokratie und Zentrum eines Großteils der Philosophie, Politik und Kunst, die die westliche Zivilisation ausmachten. Aber was war ihre Rolle bevor die klassische Epoche begann? Welche Rolle spielten die Athener zwischen 1450 und 500 v. Chr.? Spielten sie überhaupt eine? Das ist die Ausgangsfrage des EU-finanzierten Projekts LandsofMeaning, dessen Forschungsarbeiten mit Unterstützung durch die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen durchgeführt wurden. „An diesem Punkt in der Geschichte setzte auch gerade die Stadtentwicklung ein sowie Wirtschaft, Handel und soziale Normen, die mit der Urbanisierung einhergehen“, sagt Nikolaos Arvanitis, Forscher an der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne und Projektkoordinator von LandsofMeaning. „Doch leider sind viele historische Abläufe noch immer weitgehend ungeklärt, vor allem weil es kaum räumliche Analysen gibt.“ Mithilfe moderner digitaler Kartierung, z. B. mit geografischen Informationssystemen (GIS), bewerten die Forschenden jetzt die archäologischen Daten zu dieser vorklassischen Phase neu. Das Ergebnis zeigt ein bisher unbekanntes Bild von einem wichtigen, aber häufig vernachlässigten Teil der europäischen Geschichte.
Wie Google Earth für die klassische Antike
Herzstück des Projekts LandsofMeaning ist ein intuitives archäologisches Informationssystem. Mit einer Kombination aus CAD-Software, relationalen Datenbanken und einer GIS-Geodatenbank fungiert das System als integrierte Plattform aus digitalen Technologien und modernsten archäologischen und soziologischen Instrumenten. Daraus entsteht ein Kartensystem, das grafischen Daten und Texten topografische Werte zuordnen kann, sodass archäologisch Forschende ein vollständigeres bzw. ganzheitlicheres Bild von einem bestimmten Zeitpunkt oder Ort in der Geschichte bekommen. Arvanitis zufolge werden durch die den physischen Eigenschaften zugeordneten Inschriften und literarischen Quellen räumliche Analysen mit großem heuristischem Potenzial möglich. „Endlich können wir die realistische antike Landschaft von Attika und dortige Besiedlungsmuster sehen und gleichzeitig auch das Denken, das hinter diesen Mustern stand, nachvollziehen“, sagt er. „Stellen Sie es sich als ein Google Earth der Antike vor, nur dass man eben auch in der Zeit zurückreisen kann– genau das macht das LandsofMeaning-System quasi möglich.“
Eine Lösung zum Schutz von kulturellem Erbe
Arvanitis arbeitete von der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne aus, die weltweit als Exzellenzzentrum für Archäologie gilt. „Ich könnte mir keine bessere Forschungsstätte vorstellen“, erzählt Arvanitis. „Die Synergie zwischen meinem Betreuer und mir war hervorragend und die gesamte Fakultät stand voll hinter dem Projekt.“ Die Fakultät hat das Projekt sogar in die allgemeine Lehre und Forschungsagenda aufgenommen. Dafür wurde ein Sonderkurs für Doktorandinnen und Doktoranden eingerichtet, der sich mit der Einbindung neuer digitaler Technologien und des archäologischen Informationssystems in ihre jeweiligen Forschungsvorhaben befasste. Arvanitis hatte zudem Gelegenheit, vor einer Schülergruppe aus einem benachteiligten Athener Stadtviertel eine interaktive Präsentation über die Geschichte der Stadt abzuhalten. Dabei nutzte er natürlich die Kartierungstechnologie, die im Projekt entwickelt wurde. „Ich bin stolz darauf, dass wir bei LandsofMeaning eine Möglichkeit entwickelt haben, die Biografie der Antike und ihrer entstehenden Gemeinschaft nicht nur erzählen, sondern auch zeigen zu können“, ergänzt Arvanitis. „Ich freue mich schon darauf, das Programm weiterzuentwickeln und am Schluss anderen Forschenden eine Lösung an die Hand zu geben, mit der sie unser kulturelles Erbe im ganz großen Maßstab bewerten, fördern und schützen können.“
Schlüsselbegriffe
LandsofMeaning, Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne, vorklassisches Athen, Archäologe, digitale Kartierung, Athen, Attika, Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen, geografische Informationssysteme, GIS, Google Earth, Antike