Wie wichtig war die „Wüstenmacht“ in der Menschheitsgeschichte?
Tatsächlich sei die Kontrolle über die Wüsten im Lauf der Geschichte aus zwei Gründen von entscheidender Bedeutung gewesen, erklärt Redon: Zum einen als Gebiete, die reich an natürlichen Ressourcen sind, und zum anderen als Tore zwischen Zivilisationen. „Aber man muss wissen, wie man sie durchquert. Und man muss wissen, wie man dort überleben kann“, sagt sie. Im futuristischen Universum von Dune streiten sich die Weltraummächte um einen Wüstenplaneten, der reich an „Spice“ (Gewürz) ist, der wichtigsten Grundlage interstellarer Reisen. Die Parallelen zu den Ölkriegen im Nahen Osten sind unübersehbar, obwohl Wüsten auch schon vor dem Erdölzeitalter wegen ihrer natürlichen Ressourcen geschätzt – und auch umkämpft – wurden. Dabei hatten es die alten Ägypter vor allem auf eines abgesehen: das Gold. „Der Abbau von Gold ist bereits seit den ersten Anfängen der ägyptischen Geschichte bezeugt“, fügt Redon hinzu. „Seit dem ersten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung gibt es Menschen, die in den Wüsten, diesen sehr trockenen Gebieten, nach Gold suchen.“ Für die Menschen des alten Ägyptens war Gold mit dem Göttlichen und der Unsterblichkeit verbunden. Der Hauptgrund für den Abbau war dennoch wirtschaftlicher Natur. Und ähnlich wie bei den sich bekriegenden Großen Häusern in Dune bedeutete mehr Reichtum auch mehr Macht. Mit dem kostbaren, magischen Metall wurden die Soldaten bezahlt und die Einflusssphäre der Herrschenden stabilisiert. Gold war außerdem von hohem Stellenwert und wurde häufig zu Schmuck verarbeitet, um die Macht, etwa der Pharaonen, zu demonstrieren. Auch für das Römische Reich hatten die Wüsten eine ganz besondere Bedeutung. Sie suchten in der Wüste jedoch nicht nach Gold, sondern nach Edelsteinen, insbesondere nach Porphyr. Seine rötlich-purpurne Farbe war für die Römer sehr wichtig. „Die Wüste war der einzige Ort im gesamten Mittelmeerraum, an dem diese Art von Stein zu finden war“, berichtet Redon. Es gibt noch weitere Parallelen. Im Roman werden die einheimischen Stämme der „Fremen“ als die wahre Kraft hinter der „Wüstenmacht“ angesehen – zumindest vom Haus Atreides. Die nomadischen Völker, die die Wüsten der Erde bewohnen, besaßen als Wächter dieser trockenen und gefährlichen Gebiete gleichermaßen große Macht. „Diese Nomadenvölker führten die Pharaonen, wenn sie Goldminen aufsuchen oder die Wüste durchqueren wollten, um das Rote Meer zu erreichen“, erklärt Redon. „Sie verfügten über die Erinnerung an Wege durch die Wüste, an Orte, an denen Wasser zu finden ist, an Tiere zum jagen und so weiter. Sie waren also wirklich wichtig“, erklärt sie. Zudem waren Wüsten wichtige Tore zwischen fernen Ländern, und die Nomadenvölker besaßen die Schlüssel dazu. Im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts Desert Networks hat Redon einige der uralten, sich durch die Wüsten erstreckenden sozialen Netzwerke entdeckt. Anhand der Verteilung einiger Artefakte wie etwa von Amphoren konnte das Team diese Netze zusammensetzen und erkennen, wie sie weit voneinander entfernte Regionen wie Indien und das Mittelmeer miteinander verbanden. Die Forschungen haben außerdem gezeigt, wie wichtig die nomadisch die Wüste bewohnenden Menschen waren: Sie waren die wahre Quelle der Wüstenmacht. Hier erfahren Sie mehr über die Forschung von Redon: Aufdeckung der sozialen Komponenten von Wüsten