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The Mass Politics of Disintegration

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Wie sich zunehmender Backlash gegen internationale Institutionen ausbreiten kann

Es wurde erforscht, wie die Verbreitung einer öffentlichen Stimmung gegen eine grenzüberschreitende internationale Zusammenarbeit eingedämmt werden kann.

2015 stimmte Griechenland gegen die vom Internationalen Währungsfonds geforderten Sparmaßnahmen und wäre beinahe aus dem europäischen Projekt ausgestiegen. 2016 stimmte das Vereinigte Königreich für den Austritt aus der EU. Im selben Jahr wurde ein amerikanischer Präsident gewählt, der gewillt war, sein Land aus verschiedenen internationalen Verträgen zurückzuziehen. Diese erdbebenartigen Abstimmungen spiegeln den weitverbreiteten und zunehmenden Backlash, d. h. Gegenreaktionen gegen institutionelle Abkommen wider, die als „massenbasierte Desintegration“ bezeichnet werden. Die Wissenschaft arbeitet daran, die umfassenderen Auswirkungen dieses gesellschaftlichen Wandels zu verstehen, doch die theoretischen Instrumente hielten mit dem dramatischen Tempo des Wandels nicht wirklich Schritt. „Jahrzehntelang konzentrierte sich die Erforschung internationaler Beziehungen vor allem darauf, wie internationale Institutionen entstehen und funktionieren, und nicht darauf, wie sie in Frage gestellt werden“, erklärt Stefanie Walter(öffnet in neuem Fenster), Professorin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich. „Das hat sich nun geändert, was angesichts der Entwicklungen in der realen Welt, die wir gegenwärtig beobachten, nicht überraschend ist“, fügt sie hinzu. Im Rahmen des Projekts DISINTEGRATION(öffnet in neuem Fenster), das vom Europäischen Forschungsrat(öffnet in neuem Fenster) finanziert wurde, untersuchte Walter die Auswirkungen einer massenhaften Desintegration und rückte dabei die Effekte von Stimmen in anderen Ländern in den Mittelpunkt, um die Frage zu stellen, ob Desintegration in einem Mitgliedstaat Wählende anderswo dazu ermutigt, diesem Beispiel zu folgen, oder sie eher davon abbringt. „Das Potenzial des Übergreifens von Desintegrationsbestrebungen ist beträchtlich, da Ansteckungseffekte über die Medien und politischen Parteien übertragen werden und über ihre Wirkung auf die öffentliche Meinung die Politikgestaltung beeinflussen“, erläutert Walter. „Dies erschwert die Politikgestaltung, da die Folgen einzelner politischer Entscheidungen oft weitreichendere Auswirkungen als erwartet haben.“

Verbreitung grenzüberschreitender Desintegration erforschen

Walter erkundete die Reaktion auf derartige Abstimmungen in anderen Ländern auf drei Analyseebenen: Wählende, Diskurs (Parteien und Medien) und Regierungen. Auf der Ebene der einzelnen wählenden Menschen führte sie mehrere Umfragen zur öffentlichen Meinung durch. Auf Diskursebene analysierte sie, wie politische Parteien und Medien über internationale Zusammenarbeit sprechen und wie sich Ton und Positionierung im Verlauf von Desintegrationsprozessen verändern. Hierbei nutzte sie große Sprachmodelle zur Untersuchung von Zeitungsartikeln und Parlamentsreden. Zu guter Letzt führte Walter auf Regierungsebene eine qualitative Vergleichsanalyse mehrerer Fälle durch, in denen einzelne Regierungen auf nicht kooperative Volksabstimmungen reagieren mussten.

Desintegrationsforschung voranbringen

Die Projektarbeit ergab, dass Massendesintegration in einem Land tatsächlich Wählende und politisch Aktive in anderen Ländern beeinflussen kann. Ein weiteres wichtiges Ergebnis war ein theoretisches Rahmenwerk zum Verständnis der Reaktionen auf Desintegration, der auf Kompromisse zwischen Anpassung und Nichtanpassung sowie die Folgen jeder Strategie hinweist. Schließlich wurde im Zuge des Projekts deutlich, wie wichtig es ist, Massenpolitik bei der Analyse internationaler Organisationen ernst zu nehmen. „Projektziel war es, bei der Erforschung der Nicht-Kooperation und Desintegration in den internationalen Beziehungen voranzukommen und Erkenntnisse zu liefern, die auch für die Politik von Nutzen sind“, merkt Walter an. „Ich denke, dass uns beides gelungen ist.“

Desintegrationsforschung verbreiten

Bisher wurden projektbezogene Veröffentlichungen bei Google Scholar über 1 000 Mal zitiert, was die weitreichende wissenschaftliche Wirkung der Forschung belegt. Walter arbeitet gegenwärtig mit einer Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammen, die ihr Dilemma-Rahmenwerk auf verschiedene andere Bereiche von der Verbreitung von Atomwaffen bis hin zur Entwicklungshilfe anwenden. Walter schrieb mehrere Blogbeiträge und Zeitungsartikel über die Arbeit, trat im Fernsehen und Radio auf und teilte die Projektergebnisse dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten der Schweiz und dem wichtigsten Schweizer Wirtschaftsverband mit. „Die wichtigste Lehre lautet, dass es schwierig ist, auf Nicht-Kooperation zu reagieren, und dass die Verantwortlichen der Politik nicht nur die kurzfristigen Sachkosten, sondern auch die langfristigen Folgen für den Ruf berücksichtigen sollten“, berichtet Walter.

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