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Modern Bigness : Challenges for European Competition Law

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Lässt sich die flächendeckende Macht der großen Technologiekonzerne mithilfe des Wettbewerbsrechts eindämmen?

Die Macht der großen Technologiekonzerne geht über Marktdominanz hinaus – sie kann auch Auswirkungen auf Demokratie und Freiheiten haben. Kann das EU-Wettbewerbsrecht diesbezüglich Gegenwehr leisten?

Dank ihrer beispiellosen Fähigkeit, mithilfe ihrer Infrastruktur und Plattformen Daten zu sammeln, die für Einzelpersonen und Unternehmen unverzichtbar geworden sind, reicht die Macht der großen Technologiekonzerne mittlerweile über die Märkte hinaus bis hin in den sozialen, politischen und privaten Bereich. „Sobald wir verstanden haben, um welche Art von Macht es sich hierbei handelt, stellt sich die Frage, ob und wie wir die negativen Auswirkungen dieser Macht auf Wirtschaft und Gesellschaft mithilfe des Wettbewerbsrechts bekämpfen können“, so Anna Gerbrandy(öffnet in neuem Fenster), Koordinatorin des Projekts MOBI(öffnet in neuem Fenster), Professorin am Europa-Institut der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Utrecht(öffnet in neuem Fenster) in den Niederlanden. „Das Wettbewerbsrecht ist ein nicht zu unterschätzendes Werkzeug. Es kann die höchsten Geldstrafen verhängen, die es im europäischen Rechtssystem gibt. Es ist ein mächtiges Instrument, mit dem man die Macht von Konzernen oder Unternehmen einschränken kann“, bemerkt sie. „Ich wollte untersuchen, ob wir dieses Instrument nicht nur zur Begrenzung der negativen Auswirkungen der Macht von Konzernen einsetzen können, sondern auch für andere Arten von negativen Auswirkungen.“ Der Geltungsbereich des EU-Wettbewerbsrechts beschränkt sich derzeit auf Markteffekte. „Wir müssen den Geltungsbereich ausweiten, um uns vor der Verflechtung von Unternehmensmacht und politischer Macht in den Händen großer Konzerne zu schützen“, erklärt Gerbrandy.

Ein neues Konzept der Wirtschaftsmacht

Um die über den Markt hinausgehende Macht der großen Technologiekonzerne zu verstehen, war zunächst eine Sichtung der wissenschaftlichen Literatur erforderlich. Das Projektteam, dem fünf Promovierende und eine promovierte Person angehörten, untersuchte, was Philosophen wie Aristoteles, Foucault und Weber über Macht zu sagen hatten. „Wir haben uns auch mit wirtschaftswissenschaftlicher Literatur sowie mit anarchistischer Philosophie und feministischen Perspektiven auseinandergesetzt“, fügt Gerbrandy hinzu. Sie hat ein neues Konzept entwickelt, das sie „moderne Größe“ taufte, indem sie die Markt- und Nichtmarkteffekte der digitalisierten Wirtschaft abbildet. „Diese Konzeption von Macht aus einer multidisziplinären Perspektive ist vollkommen neuartig“, bemerkt sie. „Dies zu erarbeiten, hat eine ganze Weile gedauert und war konzeptionell ein schwieriger Schritt.“ „Dieses Konzept der modernen Größe zeigt, wie die negativen Auswirkungen auf die Demokratie sehr komplex und eng mit der Macht der Konzerne verknüpft sind. In solchen Fällen kann das Instrument des Wettbewerbsrechts zum Einsatz gebracht werden.“

Große Technologiekonzerne und öffentliche Versorgungsunternehmen

Die großen Technologiekonzerne sind bis in das Herzstück öffentlicher Institutionen und Versorgungsunternehmen vorgedrungen und sie von privater digitaler Infrastruktur abhängig gemacht. Die Digitalisierung und plattformbasierte Dienste breiten sich auch in Schlüsselsektoren wie Gesundheitswesen, Umwelt, Agrar- und Ernährungswirtschaft, Bildung und Transport aus, was bedeutet, dass große Technologieunternehmen immer stärker in die Erbringung der meisten öffentlichen Dienstleistungen involviert sein werden. Laut Gerbrandy hat die Betrachtung des Zugangs großer Technologiekonzerne zu wichtigen Infrastrukturen die Notwendigkeit mit sich gebracht, das Konzept der öffentlichen Versorgungsbetriebe zu überdenken. „Wir arbeiten derzeit an dringend benötigten Reformvorschlägen, die sowohl dem aktuellen EU-Konzept öffentlicher Dienstleistungen als auch der digitalen Macht großer Technologieplattformen gerecht werden.“

Der Einfluss der großen Technologiekonzerne auf die Bevölkerung

Die großen Technologiekonzerne können Meinungen oder politische Ergebnisse durch politisches Mikro-Targeting oder Hypernudging-Kampagnen beeinflussen, was dies zu einem weiteren wichtigen, nicht-marktbezogenen Bereich macht, der in Betracht gezogen werden muss. Andere Studien haben gezeigt, dass große Technologiekonzerne die Nachrichten beeinflussen und die freie Meinungsäußerung beeinträchtigen können, indem sie den öffentlichen Diskurs polarisieren. Einige dieser negativen Auswirkungen werden im Rahmen des EU-finanzierten Projekts CORPORATOCRACY über politisch agierende Unternehmen und der prodemokratischen Plattform ProPA zur Rechenschaftspflicht in sozialen Medien untersucht. Mit Hypernudging ist das gezielte und wiederholte Ansprechen einer einzelnen Person gemeint, um diese zu beeinflussen. Die Arbeit von MOBI in diesem Bereich hat bahnbrechende Erkenntnisse darüber geliefert, wie dies einen Missbrauch der Bestimmungen zur Marktbeherrschung gemäß dem Wettbewerbsrecht darstellen könnte. „Man muss auch darüber nachdenken, wie man die Errungenschaft des Medienpluralismus schützen kann, denn es geht nicht nur um die Konsumentinnen und Konsumenten [von Nachrichten], sondern auch um gesellschaftliche und demokratische Werte. Genau das lässt sich mit dem Konzept der modernen Größe erreichen“, bemerkt Gerbrandy. „Ich denke, in diesem Zusammenhang sollte explizit darauf hingewiesen werden, dass das Wettbewerbsrecht auch dem Schutz der Demokratie dient.“ Dieses Projekt wurde vom Europäischen Forschungsrat(öffnet in neuem Fenster) finanziert.

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