Auswirkungen mehrerer Stressoren auf die Fortpflanzung bei Delfinen
Verschiedene, mit Stress verbundene Bedingungen, zu denen die Ernährung, Krankheiten und Schadstoffe zählen, können bei Säugetieren die Fortpflanzungsfunktion unterdrücken, das Wachstum hemmen und das Verhalten verändern. Auch der zeitliche Ablauf dieser Effekte kann wichtig sein, und die Weibchen können während des Eisprungs oder vor der Einnistung verletzlicher sein. Das von der EU finanzierte Projekt CETACEAN-STRESSORS (The independent and interactive effects of multiple stressors on reproduction and development in cetaceans) untersuchte die Auswirkungen von Stressoren auf das Fortpflanzungspotenzial des Weibchens, eine lebenswichtige Frage für das Überleben einer Art. Wale sind Meeressäugetiere und gute Indikatoren für ökologische Bedingungen, da ihre lange Lebensdauer und Fettreserven zu Ablagerungen anthropogener Schadstoffe führen. Diese Schadstoffe können toxische Effekte verursachen, da endokrinschädliche chemische Stoffe die normale Fortpflanzungsfunktion beeinträchtigen. Ernährungsstress bei diesen Tieren wird durch eine reduzierte Verfügbarkeit von Nahrung verursacht und ist eine entscheidende Determinante für den Eisprung, die Dauer des Säugens sowie Größe und Überleben der Neugeborenen. Um die Gründe für die niedrigen Reproduktionsraten bei den Gemeinen Delfinpopulationen im Nordostatlantik und vor Neuseeland zu finden, untersuchten die Forscher gestrandete Tiere und führten Untersuchungen nach dem Tode (Autopsien) durch. Sie bewerteten die Gesundheit der Tiere, den Ernährungszustand, das Alter, den Sexualhormonspiegel sowie Hinweise auf schadstoff- und stressbedingte Krankheitsbilder einschließlich Fortpflanzungsstörungen. Bei Gemeinen Delfinen und Schweinswalen im Nordostatlantik wurde eine erhöhte Häufigkeit von Krankheitsbildern der weiblichen Fortpflanzungsorgane wie etwa Tumoren, endokrinen Störungen, Läsionen und Geschwüren festgestellt. Die Resultate deuten darauf hin, dass die Fortpflanzungsstörungen bei Schweinswalen und Gemeinen Delfinen im Nordostatlantik mit der PCB-Belastung (polychlorierte Biphenyle) zusammenhängen könnten, die sich entweder durch endokrine Störungen oder durch Immunsuppression und erhöhtes Krankheitsrisiko manifestiert. Der Rückgang der PCB- und anderer Organochlorkonzentrationen in der Biota verläuft aufgrund globaler periodischer Zyklen und langer Halbwertszeiten dieser Schadstoffe (bis zu 100 Jahre) nur langsam. Diese Tatsache hat im Zusammenhang mit den von der Mutter ererbten Schadstoffbelastungen bei erstgeborenen Nachkommen und generationsübergreifenden epigenetischen Effekten Bedenken hinsichtlich der derzeitigen und zukünftigen auf Populationsebene ablaufenden Effekte von PCBs auf die Populationen von Schweinswalen und Gemeinen Delfinen im Nordostatlantik ausgelöst. CETACEAN-STRESSORS widmete sich einem Hauptproblem des Meeresschutzes innerhalb und außerhalb Europas, indem man feststellte, wie die Auswirkungen individueller und multipler Stressfaktoren bei Waltieren zu bewerten sind. Die Resultate geben Aufschluss über die Einflussnahme von Stressoren auf die Reproduktionsphysiologie und -pathologie, welche für die Bewahrung und Regelung der Populationen des Gemeinen Delfins und des Schweinswals unerlässlich sind.
Schlüsselbegriffe
Gemeiner Delfin, Reproduktion, CETACEAN-STRESSORS, endokrin wirksame chemische Stoffe, Schweinswal