Neue Instrumente vergrößern renovierten Gebäudebestand
Europas einzigartiger und höchst vielfältiger Gebäudebestand spiegelt die Geschichte und kulturelle Vielfalt des Kontinents wider. Der Bestand an Wohngebäuden in der EU altert jedoch schnell und wird nur langsam erneuert: Mehr als 40 % der Wohngebäude wurden vor 1960 gebaut, rund 90 % vor 1990. Der Energieverbrauch der meisten dieser älteren Wohngebäude ist zu hoch und entspricht in Zeiten des Klimaschutzes meist nicht mehr den derzeitigen Anforderungen. Damit geht eine große Herausforderung für die Europäische Union (EU) einher, da Wohngebäude für etwa ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich sind. Das EU-finanzierte Projekt ENCORE bietet eine Lösung, indem es die Zahl der renovierten Gebäude innerhalb und außerhalb Europas erhöht und Datenmodelle anwendet, um den gesamten Lebenszyklus einer Renovierung abzubilden. Die Beteiligten können dann zusammenarbeiten und die Ergebnisse nutzen, um die Energieeffizienz in Gebäuden zu steigern.
Zusammenarbeit ist der Schlüssel
Daniel Obreiter und Sebastian Scholze vom koordinierenden ATB Institut für angewandte Systemtechnik Bremen, Deutschland, leiten ein Konsortium aus elf europäischen Partnern, die ein System entwickeln, das Renovierungen wesentlich effizienter und kostengünstiger gestalten wird. „ENCORE führt Fachleute aus Bereichen wie 3D-Modellierung, künstliche Intelligenz (KI), Bilderkennung und Energieeffizienz zusammen“, erklärt Scholze. „Wir schaffen eine KI-basierte Lösung für Bauwerksdatenmodellierung (building information modelling, BIM), die sich gezielt für Renovierungen eignet. Aktuell verfügbare BIM-Systeme sind vorrangig auf Neubauten ausgerichtet.“, fährt er fort. „Dazu gehört ein System von Diensten, die Gebäudedaten erheben. Den Mietparteien werden daraufhin mobile Instrumente zur Verfügung gestellt, mit denen sie Bilder der Innenräume aufnehmen und anzeigen können.“ Drohnen werden eingesetzt, um ältere Gebäude zu vermessen und zu modellieren. Mit entsprechender Unterstützung können Architektur- und Designschaffende 3D-Modelle aus den Innen- und Außendaten erstellen und ihr Modell anschließend mit aktueller BIM-Software vervollständigen oder anpassen, um die Energieeffizienzvorteile verschiedener Renovierungsoptionen aufzuzeigen. Scholze gibt an: „Eine wichtige Rolle spielen LiDAR-Sensoren (Light Detection and Ranging) für die dreidimensionale Erfassung der Räumlichkeiten, aber auch Fotos können ausgewertet werden. Die erzeugten „digitalen Zwillinge“ von den Räumlichkeiten können dann mit weiteren Informationen verknüpft werden, um verschiedene Umbau- und Nutzungsszenarien zu simulieren.“ Ein weiteres Ziel des Vorhabens besteht darin, alle Beteiligten eines Umbaus über eine einheitliche Plattform kommunizieren zu lassen. Die beauftragten Handwerksbetriebe können über die webbasierte Plattform beispielsweise detailliert sehen, was erledigt werden muss. Prototypen der ersten Komponenten des BIM-Systems befinden sich bereits im Einsatz, darunter die Datenerfassung per Drohne“, bemerkt Obreiter.
Wirtschaftlicher und sozialer Nutzen
Durch die erhöhte Agilität und Transparenz des gesamten Renovierungsprozesses wird ENCORE sowohl der Bau- als auch der Softwarebranche Vorteile bieten. Zudem werden die Kosten für den Renovierungsprozess drastisch gesenkt, was ihn für Immobilieneigentumsparteien erschwinglicher gestaltet und die Renovierungsrate des Gebäudebestands erhöht. Das Projekt wird daher die Renovierungsbranche unterstützen und den Anteil des renovierten Gebäudebestands in Europa und weltweit erhöhen, indem es effektive und erschwingliche BIM-Instrumente bereitstellt, die den gesamten Lebenszyklus der Renovierung abdecken. Auch die Gebäuderenovierung kann bedeutend für die wirtschaftlichen Erholung Europas nach der COVID-19-Pandemie sein. „ENCORE wird den Wissensaustausch verbessern und neue und bessere Produkte und Dienstleistungen anbieten, die den Bedürfnissen der Kundschaft entsprechen. Das Projekt wird zudem die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Renovierungsunternehmen auf dem Weltmarkt erhöhen“, so Obreiter abschließend.
Schlüsselbegriffe
ENCORE, Gebäudebestand, Renovierung, KI, BIM, Bauwerksdatenmodellierung, LiDAR, Online-Plattform