PoC-Test für Reaktion auf Multiple-Sklerose-Medikation
MS schlägt allein in Europa mit mehr als 15 Mrd. EUR Behandlungskosten zu Buche und ist damit eine enorme sozioökonomische Belastung. Obwohl die Linderung der Symptomatik die Lebensqualität verbessern kann, sprechen etwa 20 bis 50 % aller Patienten nicht angemessen auf die verschriebene Behandlung an.
Veränderte Zusammensetzung des Mikrobioms bei MS-Patienten
Um eine Lösung zu finden, forschte das EU-finanzierte Projekt ScleroTest am Mikrobiom von MS-Patienten, um das therapeutische Ansprechen auf eine Medikation besser vorhersagen zu können. Zunächst wurden Patientinnen und Patienten mit multipler Sklerose in einer ambispektiven Studie über einen Zeitraum von drei Jahren beobachtet. Analysen des Mikrobioms im Darm ergaben, verglichen mit gesunden Personen nach ähnlicher Ernährung, wesentliche Veränderungen der Biodiversität und mikrobiellen Zusammensetzung im Stuhl von MS-Patienten. Interessant dabei war die unterschiedliche mikrobielle Zusammensetzung bei Menschen, mit hoher bzw. geringer Anspruchrate nach Einnahme einer krankheitsmodifizierenden Medikation. „Der Befund enthüllt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom und Wirksamkeit der MS-Behandlung. Entwickelt wurde also ein Diagnoseinstrument, um diese spezifischen Bakterienarten zu identifizieren“, erklärt Projektkoordinatorin Laura Navarro.
Diagnostischer Labortest zur Analyse des Mikrobioms
Das In-vitro-Diagnoseinstrument ScleroTest analysiert die DNA MS-spezifischer Bakterienarten, um das Ansprechen auf eine Therapie im Vorfeld besser einschätzen zu können. Mittels Echtzeit-Polymerase-Kettenreaktion wird aus einer Stuhlprobe des Patienten bzw. der Patientin die hypervariable Region V3-V4 des ribosomalen 16s-RNA-Gens amplifiziert und sequenziert. Anhand der bakterienspezifischen hohen Sequenzdiversität des Gens kann dann die Zusammensetzung des Mikrobioms bestimmt werden. Da die Ergebnisse mit ScleroTest bereits nach etwa zwei Stunden vorliegen, lässt sich von Angehörigen der Gesundheitsberufe recht genau abschätzen, wie ein Patient auf eine Therapie reagiert. „So kann der Neurologe bereits innerhalb von 24 Stunden patientenspezifisch die optimale Therapie bestimmen“, betont Navarro. Der ScleroTest ist insbesondere nicht-invasiv, handlich sowie kostengünstig und vereinfacht die evidenzbasierte Behandlungsentscheidung. Er ist das schnellste derzeit erhältliche Verfahren, um unwirksame Therapien zu erkennen und umgehend anzupassen.
Bedeutung von ScleroTest und künftige Ausrichtung
Der Einsatz von ScleroTest in der Routinediagnostik bei MS wird das Gesundheitswesen entlasten, da teure und erfolglose Behandlungen vermieden werden. Zudem kann die Lebensqualität von MS-Patienten verbessert und in einem präzisionsmedizinischen Ansatz die Behandlung der Erkrankung gefördert werden. Derzeit wird vor allem auf die klinische Optimierung der Softwarealgorithmen zur Erkennung von Bakterienspezies und deren Zuordnung zum Krankheitsverlauf und Ansprechen auf die Therapie hingearbeitet. Dies soll die Sensitivität und Spezifität des Instruments verbessern, um Risiken eines Behandlungsversagens genauer und zuverlässiger abschätzen zu können. Künftig sollen noch technische Parameter des ScleroTest-Instruments verbessert und die Software weiterentwickelt werden. Vor der Markteinführung müssen die Partner den ScleroTest klinisch validieren und die CE-Zertifizierung als In-vitro-Diagnostikum einholen. Navarros Einschätzung zufolge „hat unsere Technologie, die die Funktion des menschlichen Mikrobioms bei physio- und pathophysiologischen Prozessen untersucht, auch Potenzial für die Behandlung anderer Krankheiten“.
Schlüsselbegriffe
ScleroTest, MS, Therapie, Mikrobiom, Polymerase-Kettenreaktion, In-vitro-Diagnostik-Instrument, Präzisionsmedizin