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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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Feature Stories - Informations- und Kommunikationstechnologien im Vereinigten Königreich: eine lange Traditionsgeschichte der Innovation

Schaut man sich in einem modernen Haus um, finden sich unzählige technische Geräte und Spielereien, die zu dem Zweck entwickelt wurden, unser Leben einfacher, unterhaltsam, effizient und sozial verbundener zu gestalten. Ein großer Anteil der Forschungsarbeit, die Innovationen dieser Art wie etwa das interaktive digitale Fernsehen, Mobiltelefone und das World Wide Web erst ermöglichte, hat ihre Ursprünge im Vereinigten Königreich, einem Land mit einer langen Erfolgstradition der Innovationen auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT).

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Schon 1873 beschäftigte sich beispielsweise der Elektroingenieur Willoughby Smith mit der Auswahl von Kabeln für Telegrafendrähte. Er wählte eine Selenlegierung in dem Glauben, hier das Passende gefunden zu haben, musste aber feststellen, dass dieses Material seine Leitfähigkeit verringert, wenn es Licht ausgesetzt ist. Weitere Untersuchungen, die in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung in den angesehenen Fachzeitschrift Nature mündeten, zogen schließlich die Entwicklung der photoelektrischen Zellen nach sich, die in den ersten Fernsehern ihren Dienst taten. Und das 20. Jahrhundert hinterließ weitere Meilensteine weltverändernder IKT-Innovationen aus dem Vereinigten Königreich. 1948 entwickelte Tom Kilburn den ersten elektronischen Computer mit gespeichertem Programm und weniger als 50 Jahre später begann Tim Berners-Lee damit, die Nachfolger von Kilburns Maschine über ein Transferprotokoll (Hypertext Transfer Protocol, http) mit den Servern zu verbinden und läutet damit das Zeitalter des World Wide Web ein. Das Vereinigte Königreich investiert auch weiterhin stark in die IKT-Forschung und wegbereitende Fortschritte in den Informations- und Kommunikationstechnologien, was sich insbesondere in der Beteiligung am Spezifischen Programm für "Informations- und Kommunikationstechnologien" (IKT) des Siebten EU-Rahmenprogramms (RP7) widerspiegelt. Die Wissenschaftler, Universitäten und Unternehmen des Landes haben zweifellos spezielle Stärken auf den Gebieten der Informationsverarbeitung, Informationsmedien, Telekommunikation, Elektronik und Mikroelektronik zu bieten. Einrichtungen im Vereinigten Königreich - vor allem Universitäten - koordinieren rund zehn Prozent aller RP7-IKT-Projekte. Mehrdimensionale Medienforschung Auf dem Gebiet der "neuen Medien" finden im Vereinigten Königreich die historischen Erfahrungen aus den Bereichen Fernsehen und Computermedien mit der Entwicklung und Anwendung der allerneuesten Technologien im Zusammenhang mit Netzwerken und dem Internet der Zukunft, dem "Future Internet", zusammen. So etwa prüfen die Forscher der University of Lancaster innerhalb des Projekts P2P-Next (1) die Möglichkeit des Einsatzes von Peer-to-Peer-Anwendungen, einer Technologie, die man eher mit Internetpiraterie assoziiert. Das Projekt will Inhaltsanbieter (Content Provider) bei der kontinuierlichen Übertragung von Videos für Millionen Nutzer gleichzeitig unterstützen. An dem Projekt arbeiten insgesamt 19 Institutionen unter der koordinierenden Führung des VTT Technical Research Centre of Finland (Valtion teknillinen tutkimuskeskus) zusammen. Die größte Untersuchung zur Validierung des P2P-Next-Ausstrahlungssystems wurde in Lancaster durchgeführt, wobei man die im Vergleich zu anderen Technologien eingesparte Bandbreite sowie Qualität und Stabilität des Video-Streamings betrachtete. Das Team präsentierte die P2P-Next-Set-Top-Box auf mehreren Konferenzen und Veranstaltungen, auch der IBC 2011, auf der eine Live-BBC-Sendung aus London per Video-Streaming übertragen wurde. Future Internet-Technologien werden es schon bald ermöglichen, über die Netzwerke interaktive, immersive und der virtuellen Realität verbundene Erlebnisse zu kreieren. Heute, da Fernsehen alltäglich geworden ist, müssen die Sender neue Wege suchen, um die Zuschauer zu verblüffen und zu unterhalten. Forscher der University of Reading arbeiten mit zwölf weiteren Partnern am innerhalb des RP7 finanzierten Projekt 20-20 3D Media (2). Projektziel ist die Erforschung und Entwicklung von Technologien zur Unterstützung stereoskopischer 3D-Inhalte und immersiver audiovisueller Inhalte, mit denen zu Hause oder in öffentlichen Räumen fesselnde Unterhaltungserfahrungen erschaffen werden könnten. Anderswo an akademischen Hochburgen des Vereinigten Königreichs forscht man in gemeinsamen Projekten, die schon recht bald die Art und Weise verändern könnten, wie wir Medien konsumieren und kommunizieren. Das Goldsmiths College der University of London ist an TA2 (3) beteiligt, einem Projekt, das die Fähigkeiten der Kommunikation in der Gruppe verbessern soll. Das Projekt My-e-Direktor 2012 (4), welches das Queen Mary College, University of London unterstützt, entwickelt Technologien, die es den Sendern ermöglichen werden, ein kontextbezogenes, personalisiertes Medien-Streaming in Echtzeit anzubieten. Die Zuschauer werden bestimmte Schauspieler, Perspektiven, Bildwinkel oder Themenschwerpunkte in Livesendungen auswählen können und auf diese Weise ein stark personalisiertes Seherlebnis geboten bekommen. Das von der University of Edinburgh koordinierte EMIME (5) Projekt betrachtete einen anderen Aspekt der Personalisierung. Dabei ging es in diesem Fall um ein mobiles Gerät zur Übersetzung von Sprache in Sprache. Der Prototyp funktioniert: Spricht ein Benutzer einen Satz in seiner eigenen Sprache in das Gerät, so lässt es den übersetzten Satz mit der Stimme des Nutzers erklingen! Die hinter dem Gerät steckende Technik verwendet Hidden-Markov-Modelle - die gleiche Technologie setzt man zur automatischen Spracherkennung ein. Das Gerät analysiert die charakteristischen Eigenschaften der Stimme des Anwenders und fügt diese der erzeugten Sprache hinzu, um sie stärker zu personalisieren und mehrsprachige Gespräche zwischen Benutzern natürlicher zu gestalten. Intelligente Systeme wie diese, die mit künstlicher Intelligenz und computergestütztem Lernen hantieren, erscheinen in zahlreichen Projekten, zum Beispiel auch in dem von der Universität Cardiff koordinierten Projekt Recognition (6). Das Projekt will die IKT mit einer gewissen Selbsterfahrung ausstatten, indem kognitive Prozesse beim Menschen nachgeahmt werden. Ziel des Projekts ist die Entwicklung maschineller Intelligenz, die, wird sie mit Teilinformationen und einer Bandbreite sehr verschiedener Inputs konfrontiert, deren Relevanz (oder Irrelevanz) bestätigen, Wissen entnehmen und angemessene Entscheidungen treffen kann. Die Recognition-Algorithmen werden an Internetinhalten getestet, um zu erkunden, wie gut sie zwischen verschiedenen Arten von Inhalten unterscheiden und herausfinden können, was und wo auf verschiedenen Geräten angezeigt werden kann. Im Kleinen wie im Großen Das Vereinigte Königreich gelangt mit der Präsenz großer Medienvertreter wie der BBC, die ein angesehener, weltweit führender Sender und Produzent von Multimediainhalten ist, an die Spitze der Entwicklungen im Bereich der FuE für neue vernetzte Medien. Größe und Renommee der BBC lassen erhebliche Ressourcen und Fachwissen in die Projekte einfließen und sind ein hervorragendes Instrument zur Prüfung und Erprobung neuer Technologien und Techniken. Die BBC ist an insgesamt 13 Projekten innerhalb des IKT-Bereichs des RP7 beteiligt. Die Stärke des Vereinigten Königreichs im Bereich IKT-FuE lastet allerdings nicht nur auf Universitäten und Großunternehmen wie der BBC und der British Telecom. Mit der Erfahrung dieser Partner konnten in den vergangenen RP6- oder RP7-Projekten oftmals starke Konsortien für erfolgreiche Initiativen gebildet werden, aber ihr Knowhow wird von einer Fülle innovativer Hightech-KMU bereichert. Die Elektronikfirma Rapita beteiligt sich zum Beispiel an vier Projekten: Parmerasa (7), Merasa (8), Proartis (9) und All-Times (10). In allen Initiativen dreht es sich um ähnliche Technologien und die Zusammenarbeit mit denselben Partnern. Rapita Systems Ltd wurde 2004 als eine Spin-out-Firma der University of York ins Leben gerufen. Das Unternehmen bietet ein System an, das die Software in Flugzeugen und Autos durchcheckt. Der Betrieb wuchs von einem kleinen vierköpfigen Team auf nunmehr 16 Mitarbeiter an und setzt auf weitere Expansion. Was den Erfolg seines Unternehmens angeht, erkennt Firmendirektor Ian Broster an, dass "dem RP7 entscheidende Bedeutung beim Wachstum von Rapita zukommt. (….). Ohne das RP7 hätten wir einige unserer Produkte niemals so schnell entwickeln können." Das Beispiel Rapita unterstreicht die wichtige Rolle des RP7 dabei, Ressourcen und Europas beste Experten aus bestimmten FuE-Bereichen zu vereinen, um sich gegenseitig zu ergänzen, eine kritische Masse zu schaffen und signifikante, kommerziell relevante Fortschritte zu realisieren. Peter Walters von der nationalen Kontaktstelle für RP7-IKT des Vereinigten Königreichs dazu: "Im RP7 geht es um Innovation, um Forschungszusammenarbeit und den Aufbau von Netzwerken in ganz Europa, um die Lebensumstände der Bürger Europas und der ganzen Welt zu verbessern." Die Mikroelektronik Firma ARM ist möglicherweise eines der besten Beispiele, wie ein Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich durch EU-finanzierte Forschung Erfolge zu verzeichnen und weltweit Einfluss genommen hat. Die Teilnahme von ARM an früheren Rahmenprogrammen führte zur Entwicklung der mobilen Mikrochiptechnologie, die heute in jedem einzelnen Mobilgerät zu finden ist. Heute arbeitet ARM weiterhin darin, das beste aus den Möglichkeiten zur Zusammenarbeit herauszuholen und über das RP7 Zugang zu Spitzenforschung zu bekommen. Das Unternehmen ist an neun RP7-IKT-Projekten (davon sieben in der Durchführungsphase) beteiligt, die an den Grenzen der Mikroelektronik rütteln und eine Zukunft der Technik mit geringem Energieverbrauch und höchsten Prozessgeschwindigkeiten vorbereiten. ICT-EMUCO (11) beschäftigt sich zum Beispiel mit der Plattformarchitektur zukünftiger Mobilgeräte. Die Zahl der mobilen Anwendungen steigt stetig weiter an und die Verbraucher erwarten von ihren mobilen Geräten immer mehr Leistung - und so muss die Rechenleistung immer weiter verbessert werden. Multi-Core-Architektur ist erforderlich, um das beste Gleichgewicht von Leistungsvermögen und Performance-Support für neue Funktionen zu erhalten. ARM verfügt in Gemeinschaft mit der University of York über das im Vereinigten Königreich verwurzelte Fachwissen für dieses hochanspruchsvolle Projekt. Ein weiteres Projekt, für das ARM eine koordinierende Rolle übernimmt, ist EuroCloud (12). Da man sich in zunehmendem Maße Sorgen über den Serverstromverbrauch und die Kosten macht, wird eine Lösung für leistungsdichte Server mit geringem Energieverbrauch benötigt. EuroCloud ist eine 3D-Server-on-Chip-Lösung, die aus vielen ARM-Cores mit integriertem 3D-DRAM aufgebaut ist, für eine hohe Speicherbandbreite bei niedrigerem Stromverbrauch sorgt und somit den Weg für anpassbare, umweltfreundliche Server ebnet. Die europäische Vizepräsidentin der Kommission Neelie Kroes in einem Kommentar dazu: "Die heutigen stromhungrigen Cloud-Computing-Rechenzentren sind ökologisch langfristig nicht vertretbar. Genau dieses Energieproblem soll der EuroCloud-Chip lösen. Ich hoffe zudem, dass die Weiterentwicklung des EuroCloud-Chips auch die Position europäischer Unternehmen in einer Branche stärkt, die derzeit von Unternehmen aus anderen Teilen der Welt dominiert wird." Der Kampf ums Energiesparen Das Vereinigte Königreich ist in hohem Maße an Projekten in den Themenbereichen IKT und Energieeinsparung beteiligt. Ungefähr die Hälfte der 84 Projekte, die derzeit auf diesem Gebiet gefördert werden, haben einen Partner im Vereinigten Königreich. Dehems (13) erkundet beispielsweise Wege, auf denen die Energiezähler, die normalerweise die Menge an verbrauchtem Strom messen, außerdem nachverfolgen können, wie diese Energie verbraucht wird. Das intelligente DEHEMS-Messgerät vereint Sensordaten zum Wärmeverlust eines Hauses mit den Daten zur Geräteleistung und gibt Echtzeitinformationen über Emissionen und Energieeffizienz. Die Arbeit wird an einigen Institutionen im Vereinigten Königreich durchgeführt, wobei die Bemühungen von der Stadtverwaltung Manchester mit akademischer Hilfestellung der Coventry University koordiniert werden. "Wir haben die Wohnungen der Leute mit den intelligenten Messgeräten ausgestattet", erklärt das Projektteam, "aber anstelle eines Messgeräts, das gerade mal einige grundlegende Fakten über den Energieverbrauch mitteilt, haben wir diese Informationen mit einer cleveren Art der Visualisierung von Daten verknüpft. So kann man sich die Sache auf dem Smartphone, PC oder Laptop anschauen und sofort sehen, was in in der Wohnung in Bezug auf den Energieverbrauch eigentlich passiert." "Und wenn die Menschen auf unproblematische Weise Zugang zu Informationen bekommen und das Ganze auch noch benutzerfreundlich ist, fangen sie an, Dinge auszuschalten und erkennen, dass 20 Prozent ihrer Stromrechnung auf das Konto von Geräten im Standby-Betrieb gehen. Fakten auf Knopfdruck können tatsächlich ein realer Anreiz für Verhaltensänderungen sein. Und auch kleine Projekte wie dieses können sich zu einer großen Veränderung summieren." Auf die gleiche Weise wird das Engagement des Vereinigten Königreichs bei so vielen Projekten im RP7 insgesamt zu großen Veränderungen in der europäischen Wirtschaft, Gesellschaft und zum nachhaltigen Wachstum beitragen. Und so gilt zweifellos: Das Erbe von Smith, Kilburn und Berners-Lee ist quicklebendig. --- Die in diesem Artikel vorgestellten Projekte wurden innerhalb des Programms zur Unterstützung der IKT-Politik als Teil des Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) oder im Siebten EU-Rahmenprogramm für Forschung (RP7) gefördert. (1) P2P-Next: Next generation peer-to-peer content delivery platform (2) 20-20 3D Media: Spatial sound and vision (3) TA2: together anywhere, together anytime % (4) 2020 3D Media Spatial Sounds and Vision (4) EMIME: Effective Multilingual Interaction in Mobile Environments (5) Recognition: Relevance and cognition for self-awareness in a content-centric Internet (6) Parmerasa: Multi-Core Execution of Parallelised Hard Real-Time Applications Supporting Analysability (7) Merasa: Multi-Core Execution of Hard Real Time Applications Supporting Analysability (8) Proartis: Probabilistically Analyzable Real-Time Systems (9) All-Times: Integrating European Timing Analysis Technology (10) ICT-EMUCO: Embedded multi-core processing for mobile communication systems (11) EuroCloud: Energy-conscious 3D Server-on-Chip for Green Cloud Services (12) Dehems: Digital Environment Home Energy Management System Links zu Projekten auf CORDIS: - RP7 auf CORDIS - P2P-Next auf CORDIS - 20-20 3D Media auf Cordis - TA2 auf Cordis - My-e-Director 2012 auf Cordis - EMIME auf Cordis - Recognition auf Cordis - ICT-EMUCO auf Cordis - EuroCloud auf Cordis - Dehems auf Cordis - Parmerasa auf Cordis - Merasa auf Cordis - Proartis auf Cordis - All-Times auf Cordis Weitere Links: - Website der Europäischen Kommission zur Digitalen Agenda